Die Kunst des Heilens

HändeEin Grundsatz jeder therapeutischen Handlung ist das Handeln aus reinem Herzen. Daraus erfolgende Handlungen bewirken Heilung. Sind die Handlungen unreinen Herzens bewirken sie Leid. Unreine Handlungen erfolgen aus Begierde, Hass, Zwang, Angst, Rechthaberei, Ungeduld, Eifersucht, Missgunst, Verleumdung, Anhaftung usw.

Dies sind zunächst schlicht im Raum stehend bleibende Fakten, ohne jeden Erkenntnishintergrund. Über Inhalte dieser Art lässt sich immer streiten. Jedoch stehen seit Jahren genügend Annäherungsversuche für den analytischen Verstand auf diesem Blog bereit; Inhalte und Hintergründe mit denen ich mich seit Jahrzehnten über Wahrheit, Erfahrung und Unsinn auseinandergesetzt habe. Deshalb soll davon hier nicht die Rede sein, sondern schlicht vom Resultat, der Erfahrung aus dem ERLEBEN jahrzehntelanger Arbeit als Kunsttherapeut.

Diese Resultate gelten im Grunde für jeden Menschen, jedes Lebewesen auf dieser Erde. Insbesondere gilt dies natürlich für den Beruf des Therapeuten. Er sollte Spezialist dafür sein, reine Handlungen zu erleben und auszuführen. Hindernis auf diesem Weg sind die persönlichen Verblendungen. Jeder Mensch muss diese Verblendungen im eigenen Kopf erkennen und sie beseitigen. Der Weg dazu ist die Meditation. Sie erst bringt den Zugang zum Quell jeder heilenden Handlung ans Licht. In welcher Weise die Handlungen umgeformt oder eingegossen werden, spielt dabei keine Rolle. Die Mittel, die angewendet werden, haben mit den Menschen persönlich, sowohl auf Geberseite wie auf Empfängerseite, zu tun. Das Resultat bleibt dasselbe. So wird die Kunsttherapie zu diesem Zweck ihre spezifischen Mittel einsetzen, genauso wie es der Psychotherapeut auf seine Weise tut. Wer sich von diesen Mitteln angesprochen fühlt, also der Empfänger, kann unter den gegebenen Voraussetzungen der reinen Handlung auf diesem Weg Heilung erwarten. Dies gilt insbesondere für die Ursachen der Krankheit.
Die Symptombehandlung, Schmerzbehandlung braucht keine reine Handlung. Sie bleibt deshalb kurzfristig. Hier genügt das technische Wissen und die blosse Handhabung der Anwendungen, unabhängig von jeden Gewissen, jeder Moral. Die Behebung dieses Teils alleine wird nur die Oberfläche des Problems lösen können.

Eine Kunsttherapie wird lediglich dadurch legitimiert, dass sich der Therapeut oder die Therapeutin mit seinen/ihren eigenen Mitteln tief verbunden fühlt und sie beherrscht. Der Weg über die Kunst bringt die eigenen Verblendungen und Anhaftungen an die Oberfläche. Dies befähigt sie, in der Selbstreflexion und Selbstbeobachtung dieses Prozesses, reine Handlungen zu erzeugen, die heilsam wirken. Die Therapieform hat in erster Linie mit dem Therapeuten und der inneren Verbundenheit mit seinen eigenen Mitteln zu tun. Es gibt keine guten oder schlechten Methoden, solange sie auf den erwähnten Grundsatz ausgerichtet sind.

Die Feindschaften innerhalb therapeutischer Verbände und Methoden beruhen auf falschen Gefühlen und Emotionen, die mit den eigenen Verblendungen und Vorstellungen zu tun haben. Auf der Ebene solcher Anhaftungen gibt es keine Synergien. Jeder bleibt im Kampf gegen jeden befangen. Dies wird solange der Fall sein, bis in jedem die eigene Quelle erkannt und erlebt wird.

Jetzt sagen zum Beispiel die anthroposophischen Kollegen und Kolleginnen: „aber wir müssen doch die spirituellen Grundlagen des Menschen in seiner Viergliedrigkeit, wie sie von Rudolf Steiner geschildert wurden: physischer Leib, ätherischer Leib, astralischer Leib und Ich, miteinbeziehen! Wir müssen die Ätherarten und Wesensglieder erkennen und nach diesen Erkenntnissen Handeln!“

In den meisten Schulen wird die „Säule des Wissens“ vorrangig behandelt. Die Bereitschaft für die wirklich heilsame Vertiefung beruht jedoch nicht nur auf sozialen Kompetenzen und psychologischen Lehrmeinungen oder Methoden. Auch sie gehören lediglich zur Wissenssäule. Sie ist die zweite Säule von Fähigkeiten, die erlernt werden müssen. Die erste Säule sind die technischen und manuellen Fähigkeiten. Nennen wir sie die „Säule des Handwerks„. Es sind die beiden Fundamente jeder Bildung. Die dritte Säule kann einzig und alleine durch Meditation gebildet werden. Deshalb nenne ich sie die „Säule der Selbsterkenntnis„. Meditation bedeutet vor allem: Beruhigung des Geistes. Der Geist muss still werden können. Für viele Schüler und Schülerinnen jenseits jeglicher Methode, ist dieser Schritt gefährlich oder sogar bedrohlich. Wird die Säule des Wissens losgelassen – ohne die Erfahrung einer dahinterstehenden tragenden dritten Säule zu haben, so fällt der Probant ins Nichts. Das Aushalten dieses Zustandes ist äusserst schwierig. Aus diesem Grund wird die Säule des Wissens gerne aufrecht erhalten und bis aufs Blut verteidigt.

Es kann sehr hilfreich sein, die Erlebnisse aus der meditativen Selbsterkenntnis in Begriffe zu fassen und sie so mit einfliessen zu lassen. Dies sollte jedoch stets aus der unmittelbaren Erfahrung geschehen. Die Begriffe spielen dabei keine Rolle! Sie sind nur ein Hilfsmittel der gegenseitigen Verständigung. Für das Wirken selbst sind sie vollkommen irrelevant.
Wer die Begriffe nicht mit eigener Erfahrung durchdringen kann, muss sehr vorsichtig mit ihnen umgehen. Kein Buch, kein Lehrer der Welt und kein Erklärungstext führen zur Handlung aus reinem Herzen: und das ist Liebe, Geduld und ein befreiter Geist! In den meisten Fällen behindert das Wissen diese Erfahrung sogar.
Der Grund für unüberwindbare Hürden liegt in den Vorstellungen und Begriffen.
An ihre Stelle müssen die tieferen Erfahrungen treten.
Der einzige Weg dahin ist die Meditation.

Vielleicht könnte man die Ausbildungen um ein „Modul“ „Kunst des Heilens“ in diesem Sinne erweitern…

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Ist alles Kunst?

PapierknäuelZur Zeit (Dezember 2015) findet in der Basler Messe eine Ausstellung von Ben Vautier statt. Der Performer und Künstler stellt die provokative, jedoch mittlerweile gesellschaftsfähig gewordene Frage: “Ist alles Kunst?“
Bereits Joseph Beuys, der sich sehr mit der Anthroposophie Rudolf Steiners verbunden fühlte, implizierte in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Diskussion um die künstlerischen Intentionen und argumentierte in diese Richtung.

Glaubenssätze

Die Frage kann existenziell sein. Sie ist es jedenfalls für mich. Sie rechtfertigt oder vernichtet meine künstlerischen Ausbildungen, meine ganze Erfahrung, meine Talente (und Schwächen?), meine Präferenzen. Damit hängen viele Dogmen und Glaubenssätze, aber auch viel Leid und Freud zusammen, die in den letzten 5000 Jahren Kunstgeschichte kaum jemals so deutlich hinterfragt wurden wie heute. Jetzt ist die Zeit scheinbar gekommen, alles zu zertrümmern, was uns prägte, stärkte, schwächte, kurz unsere ganzen Ziele und Vorstellungen, denen wir unser bisheriges Leben zu „verdanken“ haben, nach denen wir uns richteten, über Bord zu werfen. Müssen wir deshalb gleich das Kind mit dem Bade ausschütten? Ist das “Alles ist Kunst“-Dogma nicht auch wieder ein neues Gefängnis unserer Vorstellungen in das wir hineintrampeln ohne es zu bemerken und welches uns den letzten Todesstoss gibt?

Tod der Kunst

Dass die Bejahung der so gestellten Frage gleichzeitig den Tod der Kunst bedeutet, wird den meisten Normaldenkern nicht klar sein. Zu jovial, zu locker, zu wenig gewichtig betrachten die meisten Menschen grundsätzlich die Tragweite und den Wert der Kunst. In vielen Fällen wird sie bestenfalls als wichtige Nebenbeschäftigung, als (oft brotloser) Sonntagsjob, angesehen. Jedoch, sie ist es gewiss nicht, behaupte ich jedenfalls; sie ist sogar das Wichtigste was es gibt für die Entwicklung der Menschheit und der Menschen! Die Tatsache, dass alles Kunst sei, entwertet die Gewichtigkeit derselben in Ihren Grundfesten und erschüttert überhaupt jede künstlerische Bemühung. So werden gerade diejenigen, die sich heute Kunstschaffende, Künstler nennen und die mit der Flagge des banalen, alltäglichen oder gar unterschwelligen, rein subjektiven „Sauglattismus“ oder einem blossen „Provokatismus“ auftreten, zu den grössten Feinden der Kunst (…viele tun es aus dem Verständnis dieser Paradoxie heraus unbewusst schon gar nicht mehr…). Ein Begriff der ALLES ist, ist generell absurd. Darin besteht ja gerade der Sinn und Zweck eines Begriffs, dass er sich von anderen Begriffen abhebt, unterscheidet. Wenn ALLES Kunst ist, dann ist Kunst ALLES und es gibt nichts mehr ausser Kunst. Aber es gibt auch sie selber nicht mehr! Schon aus diesem Grund ist die Frage sinnlos, denn sie schliesst ALLES mit ein. Sie wäre, philosophisch gesehen, der letzte Satz der menschlichen Geschichte vor ihrem Untergang, wenn sie ernst genommen würde. Ist es demnach nicht nur absurd, sondern sogar blosse Zeitverschwendung, sich überhaupt damit zu beschäftigen?

Kunstrealität

Und dennoch scheint es heute so etwas wie eine geschichtliche Bestätigung im Sinne einer Bejahung dieser Frage zu geben! Man wird das Gefühl nicht los, dass Jahr für Jahr immer mehr Argumente für die Beurteilung des im echten Sinne Künstlerischen bachab gehen. Nicht diese oder jene Argumente und Kriterien, sondern Kriterien generell. Argumente oder Aspekte wie Schönheit, Wahrheit, Echtheit, Können usw. verkümmern mittlerweile immer mehr, verwässern sich, werden unklarer denn je oder sie werden gar belächelt, wenn nicht sogar bekämpft und verpönt. Im Grunde gibt es gar keine solchen Kriterien mehr. Jeder ist sein eigenes Zentrum mit den ihm oder ihr eigenen Sichtweise und verteidigt diese aufs Blut gegenüber den “Mitstreitern“. So gewinnt der stärkere und der Darwinismus, den man doch vielerorts überwunden haben will, ist neu auferstanden. Ästhetische Aspekte sind sowieso verpönt oder werden in ein ALLES umgepolt. Unsinnigerweise werden gerade sie vom “Alles-ist-Kunst“-Dogmatiker ausgeschlossen! Der Subjektivismus beherrscht kein anderes Gebiet so sehr, wie die Kunst. Gerade deshalb ist sie zum Gradmesser, zum Thermometer unserer Gesellschaft geworden! Ein tragisches emotionales Zeugnis, wie ich meine und zugleich paradox zu einer Alles-ist-Kunst-Doktrin

Kunst als Königsdisziplin

Die Kunst war einstmals eine Königsdisziplin. Der Künstler gehörte zu den angesehensten Bürgern des Landes. Sein Können wurde bewundert oder gar verklärt. Die Kompetenzen und Fähigkeiten und das handwerkliche Geschick, wurden beispielsweise in der Renaissance sehr hoch bewertet. Diese Hochachtung hatte noch lange Bestand, im Grunde bis in das letzte Jahrhundert hinein, wenngleich ein Zerfall, ein Auseinanderbrechen einer tragenden zentralen Kraft, schon damals spürbar wurde. Trotzdem: Kunstschulen waren hochwertige Akademien, auch wenn Sie zuweilen antiquiert daher kamen. Ihre Lehrer waren selbst angesehene Künstler im Sinne von Könnern. Die Kriterien der Professionalität wurden hoch bewertet. Sie beinhalteten lange Zeit objektivierbare Maßstäbe. Auch wenn dabei die Gefahr einer Konservierung und Verkrustung, sowie einer Dogmatisierung der künstlerischen Anschauung durchaus bestand.

Kriterien der Kunst

Dennoch kann man die Frage einmal laut stellen: Welche künstlerischen Kriterien kann denn eine moderne Kunstschule überhaupt noch haben, wenn deren Philosophie in die oben gestellte Richtung zielt? Was soll an den heutigen Fachhochschulen für Kunst überhaupt noch gelehrt werden, wenn doch alles Kunst ist und grundsätzlich schon Kleinkinder kompetent sind? Es gibt dereinst keine angemessene, objektivierbare oder messbare Professionalität mehr! Die Kunst disqualifiziert sich selbst. Die geringste menschliche Handlung, sogar die tierische; jede Tätigkeit überhaupt, genügen dem so gearteten künstlerischen Anspruch, wenn man ihn konsequent nimmt.

Fachkompetenzen in der Kunst

Kein anderer Bereich als die Kunst, verlangt weniger fachliche Kompetenzen. Handwerker, Kaufleute, Wissenschaftler, Forscher, Lehrer, Köche, Bundeskanzler… innen immer mit eingeschlossen… erfordern höchste Ansprüche, um ihrem Fach gerecht zu werden. Ihnen allen wird akribisch auf die Finger geschaut. Und wehe, sie begehen Fehler! Ein Künstlertum dieser ART kennt keine Fehler, zumindest wird man dieses Gefühl in den bildenden Künsten nicht los. Alles ist gut, richtig – (nur unterschiedlich teuer).
Braucht es noch mehr Argumente um die gestellte Frage endgültig abzuhaken?
Wenn nein, so muss die nächste und entscheidende Frage lauten: Welche Kriterien hat ein Werk zu erfüllen, um dem Anspruch Kunst in professioneller Art und Weise zu genügen?
Problematisch wird es, wenn die Freiheit in der Kunst im Grundgesetz verankert ist, wie es in Deutschland zum Beispiel der Fall ist. Abgesehen vom “Alles ist Kunst“-Dogma, weiss ja keiner mehr, wo die Grenzen zu ziehen sind zwischen Kunst und Nicht-Kunst. Das wäre aber durchaus empfehlenswert und notwendig. Ansonsten wird es gefährlich. Denn allein die Definition “Kunst“ vermag den bis zur absoluten Dekadenz neigenden sogenannten “künstlerischen Akt“, was immer dies sein mag, in jeder Handlung zu decken. Wer entscheidet dann, ob es gegebenenfalls wirklich Kunst ist und somit der Freiraum gewährleistet werden muss, oder ob das nicht der Fall ist? Ein Richter?

Und was soll denn Kunst nun sein?

Sicher werden Sie vermuten, dass ich nun derjenige bin, der mit der weltumfassenden Lösung des Problems kommt und Ihnen die hyperkompetente Definition der Kunst gebe? Ich werde mich hüten. Dennoch beschreibe ich Ihnen gerne, wie meine Sicht und meine Erfahrung aussieht. Dazu braucht man ein wenig Bauchpinselei, denn sonst glaubt einem ja niemand mehr. Dass ich bereits seit 30 Jahren aktiver Kunstschaffender bin usw., dass ich künstlerische Prozesse intus kenne durch jahrelange Arbeit mit Kindern und Erwachsenen, denen ich ebensolche Kriterien nahebringen will, weil sie mit Fragen und Erwartungen an mich herantreten, weil sie sogar Heilung aus der Kunstbetätigung erhoffen, dies alles soll nur am Rande erwähnt werden. Am eindringlichsten sind meine eigenen Intentionen in Malerei und Plastik, im eigenen künstlerischen Versuch, entstanden. Dort zeigen sich immer quasi die Reflexionen meiner Selbst als Abbild ausser mir! Wer sich damit zufrieden gibt, eine tote Idee, z.B. eines Papierknäuels, die in seiner konditionierten Vorstellung wurzelt, als Kunstprodukt anzuerkennen und damit leben kann, dem seis gegönnt! Mir genügt es nicht. Mich langweilt es. Meine konditionierten Vorstellungen langweilen mich, weil ich mich in ihnen nicht wirklich als Mensch erkenne. Weil sie im Erkenntnisakt lediglich die vielen, unsagbar vielen, Teilaspekte meiner Selbst spiegeln und mir eine Freiheit vorgaukeln, die irrsinnig und absurd ist. Allein, durch diese (Selbst-) Erkenntnis setzen andere Maßstäbe, andere Ansprüche ein, die den Kunstgenuss erfüllen möchten. Es sind Intentionen, die immer mit dem innersten Wesenskern zu tun haben, der durch vielerlei Schichten verdeckt ist. Darin also besteht in erster Linie meine eigene Bemühung: Das Abdecken/Aufdecken dieser eigenen Schichten durch die Kunst, durch die künstlerische Betätigung. Aus diesem Wunsch heraus leiten sich alle Schritte und Kompetenzen ab, die Kunst für mich zur Kunst machen. Und dadurch ist auch Heilung im künstlerischen Prozess mit eingeschlossen! Der wahre, tiefere Kern einer Kunsttherapie! Leider ist an den gegenwärtigen Kunstschulen wenig davon zu finden. Und auch in den meisten Kreisen der gegenwärtigen Kunst Szene. Es ist zu hoffen, dass sich die Abgründe des Subjektivismus allmählich wieder zu schliessen beginnen und eine Selbsterkenntnis in diesem erweiterten Sinn wieder Fuss fast, um die Kunst wieder dorthin zu bringen, wo sie hingehört, zu einer, im umfassendsten Sinn, spirituellen Tätigkeit.

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und ein KinderbuchUrsli und der Traum vom Schiff

Der Beitrag als Audio-Datei: Ist alles Kunst?

Ich gestalte, also bin ich…

„Meditationen eines Bildhauers…“ im Spiegel der Gesellschaft…

wasseroberflächeDies gleich vorab: Nicht die Form trägt die Kraft meiner Skulpturen in sich, sondern die Fläche. Diese „bahnbrechende“ Entdeckung machte ich heute für mich – oder besser und einfacher gesagt, es wurde mir plötzlich klar… und dies sind ganz überraschende, daraus folgende Gedanken dazu.

Die Form des Wassers zum Beispiel, sie ändert sich in jedem Moment. Sie ist niemals gleich. Würde man einen Ausschnitt dieser Oberfläche 100 mal nacheinander im Sekundentakt einfrieren und heraus schneiden können und diese so entstandenen Formen danach miteinander vergleichen, dann hätte man 100 komplett verschiedene Formen neben einander liegen, so eine Art „Relief- Reigen“ von eingefrorenen Wasseroberflächen.

Und obwohl diese Formen sehr unterschiedlich aussehen würden, hätten sie doch denselben ihnen zugrunde liegenden einprägsamen Charakter, die gleiche Grund- Energie in sich. Man sähe die Verwandtschaft all diesen Formen an, weil sie aus derselben Kraft geschaffen wurden. Ähnlich ist es, wenn ich zum Beispiel mit dem Ton arbeite. Ich habe vielleicht auch irgendwann 100 verschiedene Formen gemacht. Und obwohl ich mir sehr viel Mühe damit machte, mein eigentliches Selbst durch konditionierte Vorstellungen (…und eingefleischte Technik), daraus hinaus zu verbannen, würde man doch stets erkennen, dass diese Formen vom gleichen Menschen geschaffen wurden! Die Ähnlichkeit ist nicht mehr so rein wie jene des Wassers, denn das Wasser kennt nur eine Energie, nämlich die seine. Aber es würde etwas wesentliches von mir sichtbar. Mein „Stil“, oder meine Wesensart oder wie man es nennen mag würden dennoch irgendwie sichtbar. Typisch „Mato“ halt…

Der Mensch hat nebst dieser einen und eigentlichen – zentralen, möchte ich jetzt mal sagen – Kraft, noch tausend andere Persönlichkeitsfacetten, „Kräftchen“, in sich geschaffen, mit denen er sein eigentliches Selbst verdeckt (und auch vergisst). Deshalb werden diese inkongruenten Gestaltungen erst sichtbar. Oft betonen die Gestalter ihre Form mehr als die in ihnen liegenden Flächen, weil der Ton (als Beispiel) dies zulässt, weil er nicht „reklamiert“, wenn ich ihn beeinflusse, „beeindrucke“. Würde ich dasselbe mit dem Wasser tun, so hätte ich Probleme, weil die Energie des Wassers immer sogleich seine Rechte einfordert und mich an seine Gesetzmäßigkeiten bindet. Und das ist die Flüssigkeitsstruktur, die Bewegungsstruktur, die Kraftströme und alles, was dazugehört.

Kanten, Bögen und Mulden, was auch immer ein Gestalter der Materie einverleiben und einprägen will und kann, es bleibt immer und unzertrennlich ein Teil von uns selbst, ein von unserer eigenen verwandelten oder unverwandelten Energie geschaffenes. Die Hände sind die Werkzeuge, die sich an die Intentionen und Impulse seines Eigners halten, sich an ihm orientieren. Wir können selbstverständlich immer den Kopf einschalten und die Koordination lediglich aus dem Intellekt und aus der blossen Idee heraus steuern. Wir sagen „Würfel“ – und die Hand führt den Befehl „Würfel“ aus. Was sie daran hindert, dies mit einem gewissen Unvermögen zu tun, ist lediglich ihre Ungeschicklichkeit. Die Steuerung der Hände folgt zwar den „Befehlen“ der Vorstellung, aber sie vermag es meist nicht ganz adäquat umzusetzen. Das ist dann die Schnittstelle zur Maschine (…oder wir lassen es von geschickteren Menschen gestalten). Wir sehen dies vielleicht auch schnell ein und fühlen uns ohnmächtig dieser Tatsache gegenüber. Eine konsequente Schulung vieler Faktoren vermag dieses Manko zu verbessern: Eine Art Kunstförderung mittels Wahrnehmungsschulung an vorderster Front, dann aber auch die rein physische Beweglichkeit der Finger. Weiterhin die genaue Kenntnis des Materials, deren Konsistenz und Formverhalten usw. stehen nun plötzlich der Idee voran.

Dies alles reicht aber immer nur dazu, die technische Seite einer Form, unser Können (Kunst kommt ja scheints von können…) voranzubringen. Damit haben wir aber den entscheidenden Schritt noch nicht getan. Die Verbindung zu unserem Wesenskern, der „Zentrale“ unseres Geistes, können wir mit der besten Technik (und auch nicht mittels blossem Wissen) nicht herstellen. Viel eher vermögen wir dies zu verdecken! Der schöne Schein trügt nur zu oft. Für die Kraft, für den Ausdruck der Form brauchen wir mehr! Wir brauchen zwar AUCH die Technik, zweifellos. Dies wird in der gegenwärtigen Kunstszene manchmal unterschätzt! Aber Technik ist nur Grundlage, noch nicht AUSDRUCK. Um diesen Schritt zu erreichen, benötigen wir eine direkte Verbindung von Herz und Hand, was nicht etwa Kopflosigkeit heisst. Bewusstsein ist aber mehr als Gedanke. Und das Bewusstsein muss erweitert werden auf den ganzen Körper! Nur aus dieser Haltung heraus schaffen wir den Schritt in die eigentlich wesentliche Kraft, die dem Werk erst Leben verleiht! Das wäre ein Quantensprung in der Kunst und im Leben!

Und was hat dies für Konsequenzen? Nicht nur in der Kunst, (aber dort wohl unmittelbarer als anderswo), begreifen wir die Welt ganzheitlich. Die Verbindung des eigenen Tuns mit dem dahinterliegenden Tat-Impuls und einem gleichzeitigen Anwesend-Sein mit der Handlung schafft erst diese Tiefe!

Demgegenüber ist vieles in unserer Welt Form-betont. Der Fokus (in der Kunst, wie auch im Alltag), liegt meistens in der Form. Die Kraft, die sich in der Fläche (der Welt, der Erscheinungen) ausdrückt, ist uns mehr oder weniger egal oder unbewusst. Wir nutzen die „Fläche“ bestenfalls als Strukturgeber, jetzt im übertragenen Sinn (als „Make-up“), machen die Oberfläche glatt oder rauh, bunt oder sonstwie. Wir bedienen uns dieser Oberfläche, dem „schönen Schein“ (smartphone, Computer, Play-Station). Aber das Wellen und Wölben, das Buchten, Stauen Pressen und Stoßen etc. – es findet nie auf der Oberfläche statt; es ist IN DEN DINGEN!

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Kunst und Freiheit

kinderzeichnungFast jeder Künstler pocht auf seine Freiheitsrechte. Fragt man ihn danach, wie er seine Motive findet, woher er seine Ideen habe, zuckt er mit den Achseln und macht vielleicht seine „Intuition“ geltend. Machen Sie doch, bevor Sie weiter lesen, einen kleinen Selbstversuch!

Nehmen Sie ein Blatt Papier und versuchen sie  einen einzigen wirklich freien Strich zu zeichnen!

Haben Sie das getan? Gut, dann betrachten Sie diesen einen Strich einmal ganz genau! Haben Sie links begonnen? Warum? Vermutlich fangen fast alle solchen Versuche von links nach rechts an. Das ist konditioniert! Wir Westler schreiben ja schließlich auch von links nach rechts.

Vielleicht beginnt ein Japaner oder ein Chinese, je nach Konditionierung oben oder rechts usw. Konditionen sind natürlich nie frei. Sie sind in unserer Kindheit schon früh gebildet oder uns je nach dem sogar eingetrichtert worden. Es mag sein, dass Sie, trotz dieser Prägung, rechts begonnen haben. Das ist schon gut und eher selten. Vielleicht sind Sie Linkshänder? Haben Sie dies frei gewählt? Aber wie sieht denn dieser Strich sonst noch aus? Schauen sie ihn einmal kritisch und möglichst unbefangen an. Vergessen Sie alles, was Sie als „schön“  bezeichnen. Vergessen Sie Ihr Gefühl für Formen, Ihre Vorlieben für Ordnung, Ästhetik, für Rundungen, Kanten, Ecken usw. All diese Präferenzen können Sie schon mal als unfrei abhaken.

Es sind genauso konditionierte und angelernte Vorstellungen, die sich im Laufe des Lebens gebildet haben und die Ihre jetzige Persönlichkeit ausmachen, wie die meisten routinemäßigen Handlungen, die Sie im Alltag verrichten! Wer wirklich ganz ehrlich mit sich selbst sein will, muss erkennen, wie schwierig es ist, nur schon einen einzigen wirklich freien Strich aufs Papier zu kriegen. Wenn Sie jetzt Farben dazu nehmen – oder meinetwegen Ton, oder andere künstlerische Mittel einsetzen, dann werden Sie, mit der nötigen Selbstdistanz erleben, wie wenig Ihr Handeln mit Freiheit zu tun hat!

Die Frage ist berechtigt, ob es Freiheit denn überhaupt gibt? Rudolf Steiner hat in seiner „Philosophie der Freiheit“ versucht, dieser Frage auf den Zahn fühlen. Das vordringen auf den tiefsten Kern der menschlichen Wesenheit spielt dabei eine wichtige, besser gesagt die wichtigste Rolle. Wenn wir unsere Verhaltensweisen, unsere Handlungen und Motive betrachten, müssen wir, uns selbst erkennend, feststellen, dass sie diesen Kern wenig bis gar nicht betreffen oder gar berühren.

Für mich als Kunsttherapeut hat diese Frage der Freiheit des wesentlichen Kerns unseres Menschseins eine hohe, wenn nicht höchste Priorität. Berührt werden kann man nur genau dort. Und um solche Berührung geht es. Alle Intention einer guten Therapie richtet sich nur auf dieses eine. Hier geht es weder Ideen, noch um Methoden oder um persönliche Vorzüge, weder jene des Therapeuten, noch jene des Patienten, sondern einzig und allein um menschliche Begegnung. Beziehung schaffen, Bezug schaffen, ist der Schlüssel.

Durch die Verhaftung mit unseren inneren Lieblingen, machen wir uns verletzbar für jede Kritik, jeden Einwand oder noch so gut gemeinte Intervention. Da wir diese Lieblinge nicht erkennen im Zustand der Identifikation mit ihnen, reagieren wir üblicherweise mit Abwehr oder Unmut, wenn sie von außen angezweifelt werden. Dasselbe ist Ihnen vielleicht auch gerade eben passiert bei meinem Einwand, dass Ihr Strich konditioniert sein könnte…

Manchmal sind Interventionen äußerst delikat und schwierig. Und dennoch sind wir alle darauf angewiesen, dass wir Rückmeldungen bekommen. Das ist in der Therapie nicht anders als im Leben selbst. Und sich jeder Kunstschaffender ist damit konfrontiert. Im Zentrum steht latent immer die Frage nach Freiheit. Welche Handlungen wir auch tun, sie betreffen immer unsere eigene persönliche Freiheit oder jene anderer Menschen.
Dabei wäre die Kunst meines Erachtens eines der vorzüglichsten Mittel, um unsere Verhaftungen sichtbar zu machen. Möglicherweise sitzen Sie jetzt immer noch vor Ihrer Strich-Zeichnung? Nutzen Sie die Chance etwas zu entdecken in Ihnen, was bisher möglicherweise verborgen blieb! Probieren Sie es wieder und wieder! Machen Sie sich auf den Weg… zu sich selbst!

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Übertragung/Gegenübertragung und die Kunsttherapie

mato | bilderwelt
mato | bilderwelt

Unsere Gedanken und Gefühle sind von Mustern geprägt. Die Wiederholung von Erfahrungen, Erlebnissen und Begebenheiten, prägen diese Muster und befestigen sie. Unsere Begegnungen in der Kindheit durch uns nahe stehende Personen, formen und konsolidieren alle diese Erfahrungen. Was daraus entsteht, ist so etwas wie ein Strickmuster der Gehirnstrukturen durch Wiederholung. Die Prägungen wachsen mit zunehmendem Alter aus und konstituieren sich in unserer Persönlichkeitsstruktur.

So wird jede neue Begegnung nach diesen Mustern abgestimmt, die uns von Kindsbeinen an mitgeprägt haben. Menschen die wir treffen haben ihre Rolle, ihre Verhaltensweise, ihren spezifischen Charakter. Solche Bedingungen stoßen auf vorgeprägten Strukturen. Wir entwickelten ein anderes Muster zu unseren Geschwistern, zum älteren Bruder zum Beispiel, als zum jüngeren, zur Schwester, und wieder andere zur Mutter, zum Vater usw. Jede dieser prägenden Erfahrungen verdichtet sich mit zunehmendem Alter. Was wir daraus in die Gedanken gießen und als Gefühle äußern, hat damit zusammenhängende, spezifische Eigenschaften. Sie sind mit den gemachten Erfahrungen mit den uns umgebenden Menschen aufs innigste verbunden. Die Reinlichkeit der Mutter, die Pedanterie des Vaters, die Dominanz des älteren Bruders oder der Neid der Schwester werden so zu Veranlagungen in unserem eigenen Charakter.

Jedes Mal wenn wir in unserem Leben auf neue Menschen treffen, werden diese Strukturen, die wir geschaffen haben reaktiviert. Manchmal weniger, manchmal mehr. Unser Verhalten nimmt diese Muster der Reaktionen und Gegenreaktionen auf. Es kann sein, dass der Mensch, der uns begegnet, uns an jemanden aus der Kindheit erinnert. Es können Charakterzüge sein, die uns ansprechen oder stören. Es können aber genauso gut Situationen sein, die an entsprechende Erlebnisse aus der Vergangenheit erinnern. All dies geschieht meistens unbewusst und ohne unsere Kontrolle. Sehr gut möglich, dass wir als Folge davon sogar unsere Beziehungen nach den konstituierten Prägungen aussuchen! Vielleicht wird unser Partner, unsere Partnerin einst dem Typus unseres Vaters oder unserer Mutter entsprechen.

Das aus der Kindheit geschaffene Verhaltensmuster können wir – mit der Begrifflichkeit der Transaktionsanalyse – das Lebensskript nennen. Dabei ist die Gesamtheit oder vielleicht besser, das Hauptthema unserer geschaffenen Strukturen gemeint. Diese Prägung kann mit den (negativen oder positiven) Erfahrungen mit unserer Mutter oder mit unserem Vater zu tun haben, oder ebenso gut zu anderen wichtigen Menschen im Umfeld der (vor allen Dingen frühen) Kindheit. Die in der Psychologie genannten Erlebnisse von Übertragung und Gegenübertragung haben mit diesen Prägungen zu tun.

Man kann darin durchaus Gesetzmäßigkeiten sehen, die unwiederbringlich und definitiv unser Leben bestimmen, ohne die Möglichkeit der Korrektur, der Verwandlung oder Entwicklung des Bewusstseins zu finden. Und in der Tat, liest man Biografien, wie jene von Hermann Hesse, ist man geneigt, sich kaum Chancen auszurechnen, solche Kräfte auszugleichen und mit sich ins Reine zu kommen. So wie seine Figuren immer wieder Zeugen des inneren Kampfes mit der Natur der Sinne und in Auseinandersetzung mit hohen Idealen sind, genau so zeigt sich die Ambivalenz der polaren Persönlichkeitsstruktur in uns immer wieder in einem neuen Gewand.

Es ist alleine schon fast eine Herkulestat, das Lebensskript zu durchschauen oder zumindest zu erkennen. Es benötigt eine große, innere Wachheit und Beweglichkeit. Diese wird dauernd gestört von den befestigten Prägungen, die wir geschaffen haben. Ein Ausbrechen aus dieser Not bedarf zunächst einer gründlichen Analyse. Aber das kann nur der Anfang sein. Denn die Analyse ist zunächst nichts anderes als die Erkenntnisseite für eine Annäherung an den eigenen inneren Wesenskern, aber noch keine Erfahrung davon! Es ist für eine hinreichende Bewusstseinsentwicklung nicht möglich, bei der Analyse stehen zu bleiben.

Hermann Hesse war jahrelang in einer Analyse, zuerst bei einem Schüler C.G. Jungs, bei Lang, danach beim Meister selbst. Was ihm letztlich aus seiner inneren Unruhe und nervösen Spannung heraus half, war die Kunst! Sowohl als Schriftsteller, vielmehr aber noch als Maler, fühlte sich Hesse ausgeglichen. Durch die Schriftstellerei konnte er die inneren Erlebnisse verarbeiten, durch die Malerei kam er zur Ruhe. Hier setzte ein Erlebnis ein, welches zu inneren Erfahrungen hinführte.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Was bringt die Neurologie für den psychologisch orientierten Therapeuten

Psychotherapeutische Ansätze und Neurologie: Normalerweise werden die modernen Wissenschaften aus der Ecke der Schulmedizin von psychologisch orientierten Therapeuten verpönt oder zumindest nicht ernst genommen. Ähnlich verhält es sich natürlich auch in umgekehrter Richtung. Dabei hätten die beiden vollkommen polar ausgerichteten Ansätze soviel Potential in sich, um fruchtbar in beide Bereiche hinein zu wirken. Darüber wird in diesem kleinen Hörbeitrag gesprochen.

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