Was sind „Ideen“?

Ideen sind immer gut! Wer würde was anderes behaupten? Aber Ideen haben nur dann einen Sinn, wenn sie Realität werden und nicht dort hängen bleiben, wo sie entstanden sind: im Kopf … Aber wann ist denn nun eine Idee gut? Jede Idee, auch die «beste» (aus Sicht ihres Eigners), wird mit Sicherheit ihre Gegnerschaft finden, wird Gegenargumente provozieren, die auch gewiss ihre Berechtigung haben können. Viele Menschen neigen dazu, die eigene Idee als objektiv und allgemeingültig hinzustellen! Sie stellen sich ins Zentrum der Wahrheit und verkünden der Welt, was gut und was böse sei. Manchmal beschleicht mich dieses Gefühl in der aktuellen Politik. Es gibt nur noch eine Meinung, eine Idee, sozusagen eine Einheitsidee, der jeder zu folgen hat. Kritik ist unerwünscht oder sogar untersagt. Nehmen wir die Klimapolitik. Es gibt die Idee des «Hockeyschlägers» von Al Gore. Der Hockeyschläger ist unantastbar, sakrosankt und darf nicht kritisiert werden. Dabei handelt es sich ja um den Ausschnitt einer Temperaturkurve über etwas mehr als hundert Jahre, die sich eben genau wie ein Hockeyschläger nach oben entwickelt hat. Zieht man die Zeitlinie dieser Temperaturschwankungen in die Länge, sodass ein Fenster von tausend Jahren entsteht, dann ist der kleine Haken etwas unterhalb des Durchschnitts in dieser Darstellung vollkommen irrelevant! Diesen Vorgang nennt man «Framing». Aber darum soll es jetzt nicht gehen. Es geht darum, dass Ideen wie diese immer in einen bestimmten Kontext gestellt werden müssen. Und je grösser der Kontext, umso grösser der Zusammenhang, desto integraler der Wahrheitsanspruch.

Ideen werden oft situationsangepasst vermittelt. Was meine ich damit? Framing ist eine Methode, den Menschen eine bestimmte Blickrichtung vorzugeben. Das sind nicht die wirklich grossen Ideen, welche die Menschheit vorwärts bringen. Sie stellen sich hinter gewisse Interessen und forcieren den Machtanspruch einseitiger Bedürfnisse. Somit können Ideen nicht generell als gut oder böse bezeichnet werden.
Auf der Skala stehen einige Themen immer zuoberst, andere sind weniger hoch einzustufen. Frieden oder Freiheit sind solche Themenbereiche, die unbedingt an oberster Stelle zu stehen haben, weil sie nicht Einzelinteressen vertreten, sondern allgemeinmenschliche! Wir haben für viele Dinge unzulängliche Begriffe. Und eine solcher Begriff ist jener der «Idee». Man kann die Idee haben, einen anderen Menschen umzubringen. Ob das gut oder böse ist, überlasse ich Ihrem Urteil. Man kann aber auch die Idee in sich tragen, dass alle Menschen gleiche Rechte haben sollten und frei sein sollten, ihre Meinung zu äussern, unabhängig von Moden und Machtansprüchen. Beides wird «Idee» genannt. In Wikipedia wird er folgendermassen definiert: Der Ausdruck Idee (von altgriechisch ἰδέα idéa „Gestalt“, „Erscheinung“, „Aussehen“, „Urbild“) hat allgemeinsprachlich und im philosophischen Sprachgebrauch unterschiedliche Bedeutungen. Allgemeinsprachlich versteht man darunter einen Gedanken, nach dem man handeln kann, oder ein Leitbild, an dem man sich orientiert. Die philosophische Bedeutung wurde zunächst in der Antike von Platon und dem Platonismus geprägt. In der platonischen Ideenlehre sind Ideen unwandelbare, nur geistig erfassbare Urbilder, die den sinnlich wahrnehmbaren Phänomenen zugrunde liegen.

Was also in der Antike als «Urbild» verstanden wurde, wird heute degradiert zum einfachen «Gedanken», vielleicht sogar nur zur «Vorstellung». Diese Gleichsetzung verhindert den Zugang zu einer grösseren, umfassenderen Betrachtungsweise und impliziert dem Urheber eine Verwässerung hin zur absoluten Subjektivität. Dabei wird aber oft der Machtanspruch eigener «Ideen» über andere gestellt, die dem inhaltlich nicht entsprechen. Die «Idee» wird als Machtinstrument über andere «Ideen» gestellt. Sie wird als Pseudoidee vermittelt, die jedoch nur den Rang einer gewöhnlichen Vorstellung hat. Einer Vorstellung, die herausgewachsen ist aus dem konditionierten Bewusstsein seines Vermittlers. Würde sich jeder Mensch darüber bewusst, woher seine Vorstellungen stammen, welche Wurzeln sie haben, dann würde der Menschheit viel Leid erspart. Auf politischer Ebene kann das Nichterkennen dieser Tatsache zu einer tödlichen Waffe werden!
Die Definition eines Urbildes, wie interessanterweise sogar in Wikipedia dargestellt, umfasst mehr als die persönliche, subjektive Meinung Einzelner. Ein Urbild besitzt die Kraft des Wesentlichen. Es umfasst übergeordnete Prinzipien und Gesetze. Wenn Goethe oder Schiller von Ideen sprechen, dann meinen sie immer diese Ebene des Bewusstseins. Die Tragik unserer Zeit ist, dass ihr die wahren, urbildhaften Ideen verloren gegangen sind! Wollte man sich wieder auf die Ebene der wirklichen Ideenwelt schwingen, dann müsste man wieder lernen, unser Denken besser zu verstehen!

Was ist „Geist“

Als Künstler möchte ich versuchen, eine künstlerische Antwort auf diese Frage zu geben.

Ich würde Dir vielleicht raten, mit mir zu einem Eichenbaum zu gehen. Dann würde ich Dir ein Blatt Papier und einen Stift in die Hände geben und Dich bitten, einen Ast oder einen Zweig auszuwählen. Diesen Zweig sollst Du akribisch genau abzeichnen. Du sollst versuchen, sehr genau die Blätter zu studieren und sie auf Deine Zeichnung zu übertragen. Nach ein, zwei Stunden würde ich Dich bitten, die Zeichnung beiseite zu legen und eine Weile in Dich zu gehen. Die Intensität Deiner Beschäftigung mit der Eiche, hat in Dir bestimmte Gefühle ausgelöst. Wenn Du Dich wirklich vertieft hast in Deine Aufgabe, wirst Du mit Deinem Blick nach innen etwas von diesen Gefühlen erkennen und erleben.

Nun schreibst Du diese Nachklänge auf und begibst Dich zur Ruhe.

Am nächsten Tag führe ich Dich zu einem anderen Baum, zum Beispiel zu einer Linde. Nun zeichnest Du auch hier, wie am vorderen Tag einen Zweig des Baumes. Du versuchst, Deine Gedanken und Deine Wahrnehmung so exakt, wie es ein Wissenschaftler tun würde, auf Blätter, Äste und Struktur zu richten. Deine Zeichnung soll so genau wie möglich diese Linde darstellen.Auch jetzt bitte ich Dich erneut nach ein, zwei Stunden, in Dich zu gehen und die Gefühle wahrzunehmen, die aus der Beschäftigung mit der Linde entstanden sind, aufzuschreiben.

Nach einer weiteren Nacht der Ruhe begibst DuDich zu einem dritten Baum. Dies tust Du sieben Tage und sieben Nächte lang.

Nun siehst Du alle Deine Erlebnisse. Und jedes ist anders als das vorhergehende. Jedes dieser Erlebnisse trägt etwas Charakteristisches dieses einen Baumes in sich, mit dem Du Dich beschäftigt hast. Das erste Gefühl mag in Dir etwas Kraftvolles, dynamisches geweckt haben, aber vielleicht gleichzeitig eine verdichtete und satte Substanz. Das zweite dagegen vielleicht etwas Leichtes und Lichtvolles, aber auch etwas Freudiges und Durchlässiges. Und so geht es weiter durch alle sieben Bäume. Jedes ist neu und anderes. Und jedes bildet etwas Wesentliches ab, welches auf innere Kräfte hinweist. Das ist der Geist, der in den Dingen wohnt. Und der Zugang ist das sich strenge halten an die exakte Wahrnehmung und an das exakte Denken. Diese beiden, Wahrnehmung und Denken sind sozusagen die Treppenstufen zum Geistigen.

Vorbedingungen

Es gibt allerdings einige Vorbedingungen, an die es sich zu halten gilt. Die erste ist diejenige, dass man sich wirklich einlassen muss, sowohl auf das Zeichnen wie auf die genaue Beobachtung. Das zweite ist die ungeteilte Aufmerksamkeit, die aufzubringen ist. Und das dritte ist die Fähigkeit eines ungefärbten Urteils. Lenkt man nach einer unaufmerksamen Tätigkeit seine zerstreuten Gedanken auf die chaotische Gefühlswelt in seinem Inneren, so wird das Ergebnis keine Relevanz zum Objekt aufweisen. Jedoch wird ein Ergebnis, welches aus diesen Vorbedingungen entsteht, ein einheitliches Ergebnis liefern bei jedem, der diese Aufgabe zu lösen versucht. Vielleicht werden unterschiedliche Begriffe gewählt, im Grundcharakter besteht Übereinstimmung.

Materielle Relevanz

Jetzt kann man das Eichenblatt oder das Lindenblatt, Zweige und Äste natürlich unter dem Mikroskop untersuchen; man wird nichts von all den Gefühlen und Empfindungen finden, die man aus diesem Nachklang heraus gefunden hat. Es gibt in diesem Forschen keine materielle Relevanz zum Geistigen. Aber man kann im Materiellen einen Abdruck finden, hinter dem sich solche geistigen Erlebnisse verbergen. Der Schlüssel, das Verborgene („okkulte“) zu entdecken, liegt jedoch jenseits materieller Erscheinungen. Die Bemühungen, die dazu angestellt werden, müssen dementsprechend über ein normales, intellektuelles Denken hinausgehen in eine Art intuitiver Erkenntnis. Die Erkenntnis, welche aus den genannten Vorbedingungen („Nebenübungen“) entsteht, liegt jenseits einer Doktrin, die darin lediglich etwas Subjektives sehen oder gelten lassen will. Jedoch kann das Objektive nicht mit pragmatischen, wissenschaftlichen Methoden gefunden werden. Es liegt an der inneren Erkenntnis, die mehr zu erfassen vermag, als das materiell Sichtbare. Jeder Eiche, jeder Linde, liegt eine Art „Idee“ zugrunde: Das „Eichige“ oder das „Lindige“, wenn man so will. Es ist etwas hinter den Erscheinungen liegendes unsichtbares (nicht etwa nur feinstoffliches, sondern unsichtbares!), welches sich in ALLEN Eichen und in ALLEN Linden dieser Welt manifestiert! Gemäß der geografischen Begebenheiten und gemäß der Topografie entfalten sich diese Kräfte unterschiedlich. Mal werden sie grösser, mal kleiner, mal breiter, mal höher. Dies genau hat Goethe erkannt, als er die Idee der Metamorphose der Pflanze entdeckte!

So ist der erste Schritt getan in eine lebendige Welt einer geistigen Vielfalt. 

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… – Einblicke in die Kunsttherapie… ein Resume nach 25 Jahren…

Ist Goethes Urpflanze nur eine Idee?

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Mein letzter Aufsatz über Kunst wird dem Begriff der „Idee“ nicht gerecht, wenn ich schreibe, dass viele Kunstprodukte doch „nur“ Ideen und deshalb Kopfsache seien. Deshalb möchte ich hier näher darauf eingehen.
Auf die Bemerkung Schillers, dass die „Methamorphosenlehre“ doch nur eine Idee sei, antwortete Goethe: „Es soll mir recht sein, wenn ich Ideen habe und sie mit eigenen Augen sehe!“

„Man muss sich der Idee erlebend gegenüberstellen können, sonst gerät man in ihre Knechtschaft.“ (Rudolf Steiner, Philosophie der Freiheit). Sich der Idee erlebend gegenüberstellen, genau das tat Goethe und deshalb gerät er nicht in ihre Knechtschaft. In der Lehre von der „Metamorphose der Pflanze“, findet er sozusagen als Quintessenz seiner umfassenden Studien die „Urpflanze“. Diese Urpflanze kann Schiller natürlich nicht physisch sehen, niemand kann das, aber er kann sie auch nicht nacherleben. Und deshalb spricht er in geringschätziger Form von einer bloßen Idee. Wenn Goethe aber von der Urpflanze spricht, so hat er dem nicht nur eine „bloße Idee“ zugrunde gelegt, sondern ein Erlebnis! Denn diese Urpflanze ist sozusagen ein begrifflich „sichtbar“ gemachter Prozess. Es ist der Prozess des Wachstums, welcher sich in „andersartiger Gleichheit“ in jeder Pflanze wiederholt. So ist der Begriff der Urpflanze die Zusammenfassung des Wachstumsprozesses, der dem Pflanzenreich innewohnt!  Ist Goethes Urpflanze nur eine Idee? weiterlesen

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