Vom Wesen der Heilung

Heilung

„Heilsam ist nur, wenn in der Menschenseele sich spiegelt die ganze Gemeinschaft und in der Gemeinschaft lebet der Einzelseele Kraft.“

Dieser Spruch Rudolf Steiners wird gebetsmühlenartig in tausenden von anthroposophischen Institutionen in der ganzen Welt, an vielen Sitzungen, Arbeitsgruppen usw. gelesen. Wie viel darin steckt, wird sich kaum jemand bewusst, der nicht in der Lage ist, die volle Wirksamkeit dieser Aussage daraus herauszulesen. Betreten steht man davor. Dabei geht es wohl um etwas Wesentliches, wenn nicht um das Wesentlichste der anthroposophischen Geisteswissenschaft.

Heilen als innerer Impuls

Die Ausschliesslichkeit, mit der Rudolf Steiner dieses „nur“ hinstellt, ist es, was betroffen macht. Heilsam ist also etwas NUR dann, wenn in der Menschenseele sich spiegelt die ganze Gemeinschaft. Was ist denn dieses Spiegeln? Was spiegelt sich? Doch nur die Wahrheit, die absolute Wahrheit! Oft kommt sie verzerrt daher, zum Beispiel, wenn sich etwas im welligen, gekräuselten Wasser spiegelt. Aber dennoch ist es NUR das, was schon IST, was sich spiegelt. Dass es gewellt oder gekräuselt erscheint auf der Wasseroberfläche liegt nicht am sich spiegelnden Objekt, sondern am Empfänger, dem Abbildenden sozusagen.

Übertragen auf die Gemeinschaft kann man gewiss sagen, es ist die Wahrheit dieser Gemeinschaft, die sich im Einzelnen spiegeln soll. Die Wahrheit ist das All Eine, etwas Übergeordnetes, nenne man es „Gott“ oder anders. Es geht also um das Göttliche im Menschen. Dieses Göttliche lebt in jedem Menschen gleichermassen als Wahrheit. Und diese Wahrheit spiegelt sich in jedem Einzelnen. Sie ist sowohl in meinem Mitmenschen, als auch in mir gleichermassen wirksam.

Zugang zur inneren Quelle

Nur der Zugang zu dieser Quelle des All Einen wirkt heilsam. Dieses Ausschliessliche, was Rudolf Steiner in dem kleinen NUR betont – denn es ist sicher kein Zufall oder eine unbeabsichtigte Floskel, die sich darin ausdrückt – ist sehr bedeutsam. Es zeigt eben auch, wo Heilung NICHT stattfinden kann! Überall wo diese Quelle des All Einen nicht Zugriff hat in die Taten der Menschen, findet KEINE Heilung statt. Was findet denn dort statt? Und wie merkt man, dass man den Zugriff hat oder nicht? Dies sind die wichtigsten Fragen für die Therapie, für die Therapeuten, aber auch für alle, die sich mit Menschen beschäftigen und den Anspruch haben, heilen zu wollen.

Alles Wissen, alle Erfahrung, die wir im Leben anhäufen und ansammeln, bilden so etwas wie einen kleinen Kosmos, der sich dem Grossen gegenüberstellt. Es ist ein individueller Kosmos. Es ist der kleine Himmel ähnlich dem Himmel, der ein Kücken hat, wenn es in seinem Ei drin sitzt. Dieser Himmel ist nichts anderes, als die Eischale! Aber das Kücken denkt (wenn es denken könnte), das ist meine Welt! Das ist alles, was es gibt. Erst in dem Moment, wo es diese Schale durchbricht, sieht es eine neue, andere Welt.

Lernprozesse und Wissen

In einem ähnlichen Zustand befindet sich der normale Alltagsmensch. Nur dass diese „Schale“ nicht so offensichtlich ist. Sie ist gewoben aus eben diesen Erfahrungen und dem daraus resultierenden Wissen. Dieses Wissen ist sehr wichtig! Das kleine Kind erfährt irgendwann, dass eine Herdplatte auch dann heiss sein kann, wenn man es von aussen nicht sieht. Durch die Erfahrung des Berührens wird diese Tatsache überdeutlich und eindrücklich erlebbar. Dieses Kind wird es nicht ein zweites Mal tun. Es hat aus der Erfahrung gelernt. Das Lernen ist verbunden mit Gedanken, die man sich im Nachhinein über die erlebte Situation gemacht hat. Wenn nun eine neue, ähnliche Situation auftritt, wird es vielleicht die Hand erst ein paar Centimeter über der Platte halten, um langsam abzuspüren, ob die Platte noch heiss ist oder nicht. Das Kind wird aus diesem Lernprozess heraus vorsichtiger. Der Gipfel dieser Art von Wissen ist die Weisheit, die aus Klugheit resultiert.

Und so gibt es selbstverständlich in einem Menschenleben Millionen von Eindrücke, die man „lernt“. Das Erfahrene wird konserviert und „abgespeichert“. In manchen Fällen ist das gut, in anderen weniger gut. Man stelle sich vor, wie wir Autofahren würden, wenn wir uns jedes Mal überlegen müssten, wo das Gaspedal, wo die Kupplung und wo die Bremse ist! Das wäre natürlich fatal! Die Handlungen werden durch Wiederholung automatisiert oder besser „einverleibt“. Dies geschieht im „Ätherleib“.

Spiegel in der Gemeinschaft

Was also zu unserem Besten dient, indem es zur Routine wird, ist andererseits auch eine Klippe, eine Hürde. Durch das Konservieren, schaffen wir einen Mantel um uns herum, der die Erfahrungen ihrer Reinheit entzieht. Und dies wiederum bewirkt, dass wir uns im Laufe eines Lebens wie ein Kokon einhüllen in unsere eigene Welt, die Welt unserer persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse. Daraus bilden wir unser Gedankenleben, bilden unsere Vorstellungen. Danach richten sich all unsere Gefühle und Handlungen. Das Fatale daran ist nicht, DASS es so ist, sondern, dass wir es nicht bemerken! Das ist das Fatale, dass wir es nicht bemerken! Wir identifizieren uns immer stärker mit diesem Kokon und meinen, das seien WIR, das sei „ICH“. Aber dieses Ich ist nicht ein reines Ich, es ist ein personifiziertes, individualisiertes Ich. Es ist ein Ich, was sich eben NICHT spiegelt in der Gemeinschaft! Denn in dieser Gemeinschaft hat jeder in dieser Beziehung ein anderes Ich! Keiner von uns ist gleich. Das ist eine Binsenwahrheit, denn jeder wird es bestätigt finden.

Befreiung aus dem Kokon

Es ist äußerst schwierig, sich aus diesem Kokon zu befreien, weil er, ähnlich dem Kücken, meint, dies sei die ganze Welt. Ich bin die ganze Welt, so meint im Grunde jeder. Auch wenn er es niemals zugeben würde, verhalten tut er sich doch meistens so. Und man wird gereizt, wenn der andere eine andere Meinung hat. Achten Sie gerade JETZT darauf, wie Sie auf diese Gedanken reagieren! – Halten Sie inne. Schauen Sie für einmal nicht auf meine Gedanken, die ich hier entwickle, sondern auf Ihre Reaktion darauf, gerade in dem Moment, wo Sie dies lesen! Vielleicht haben Sie das eine oder andere Mal den Kopf geschüttelt und waren gar nicht meiner Meinung?

Sehen Sie, das „meine“ ich. Wir leben nur noch in einer abgeschlossenen Welt unserer persönlichen Meinungen. Die Gedanken, die in uns kreisen, beziehen sich zum grössten Teil auf unsere persönliche Erfahrungswelt. Und aus DIESER Welt heraus, ist HEILUNG unmöglich!

Heilsam ist nur…

Heilsam ist nur, wenn in der Menschenseele sich spiegelt die ganze Gemeinschaft (also die GANZE Wahrheit) und in der Gemeinschaft lebet der Einzelseele Kraft. Letzteres tut sie nur, wenn ersteres der Fall ist, das heisst, wenn es ihr gelingt, aus der persönlichen Verhaftung herauszutreten, auf Distanz zu diesem „kleinen Ich“ zu gehen. Dies aber ist das Wesen der „Selbstbeobachtung“! In ihr ERKENNT man, welcher Herren Diener man gerade ist. Denn hinter dieser Welt stecken andere „Wesen“, die uns antreiben. Sie haben freie Bahn, solange wir sie nicht erkennen. Im wahren Ich bin Ich erst „Wahrheit und Leben“. Im kleinen Ich bin ich das nicht. Das kleine Ich kann nicht „heilen“! Denn es erreicht die andere Seele nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar. Es ist gefangen in der eigenen Identität. Heilen kann es nur sich selbst und zwar in dem Moment, wo es Selbst bewusst wird!

Konsequenz Selbsterkenntnis

Konsequenz dieser Gedanken ist, dass wir nur heilsam wirken können, wenn wir uns entwickeln. Diese Entwicklung hat nur EIN Ziel. Es ist das Finden des All Einen in uns! Der Weg geht über einen Schulungsweg, der von der Imagination über die Inspiration zu der Intuition reicht. Im letzteren schaffen wir erst den Raum, der Heilung bewirkt. Das schliesst alles bosse Wissen aus. Wissen ist IMMER sekundär. Wer das Wissen zum Primaten erhebt, verleugnet sich selbst. Wissen ist ein Trittbrett der Seele, ein Entwicklungshelfer. Es kann zur wahren Weisheit führen im Akt der Selbsterkenntnis. Wieviele Philosophen, Weise, Initiierte haben dies schon gesagt und geschrieben! Selbst dies hat man immer nur als Wissen aufgenommen und so weiter vermittelt, ohne die Tat! Es steht als Wissen neben anderem Wissen und man ist froh es manchmal zitieren zu dürfen.

Ein Ruck muss durch die Gesellschaft gehen! Bis wir zu dieser Gemeinschaft heranreifen, in der sich das All Eine spiegelt. Aber TUN können wir es jederzeit, in jedem Augenblick. Denn passieren tut es immer nur im JETZT.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… – Einblicke in die Kunsttherapie… ein Resume nach 25 Jahren…

Wissenschaft: Segen oder Fluch?

Beitrag zu einer Studie über „Wissenschaft in der Anthroposophie“

“Die Erhöhung des Daseinswertes der menschlichen Persönlichkeit ist doch das Endziel aller Wissenschaft“ Rudolf Steiner Vorwort zu „Wahrheit und Wissenschaft“.

Es wird heutzutage viel Wert darauf gelegt, die anthroposophischen Leitgedanken Rudolf Steiners (natur-) wissenschaftlich zu belegen. Doch muss diesem Bestreben immer die Frage voraus gehen: was ist wissenschaftlich? Wie definiert sich diese heilige Kuh der gegenwärtigen Zivilisation? Und muss man ihr zwingend Folge leisten? Was erreicht man damit? 

Mit „wissenschaftlich“ verbindet man in erster Linie Objektivität und Beweisbarkeit. Beides sind relative Grössen und Begriffe. Wichtig ist der Bezug, worauf sie gerichtet sind. Eines von Rudolf Steiners Grundlagenwerken ist die philosophische Auseinandersetzung mit der Anthroposophie, die er vor allem in der “Philosophie der Freiheit“ eindrücklich darlegt. Dabei wird der Fokus nicht primär auf Objektivität gelegt, wie sie in der Wissenschaft gefordert wird, sondern auf die Verbindung von Subjekt und Objekt, und damit auf das denkende Ich, welches forscht. Das Augenmerk liegt also in der Tatsache des Forschenden und nicht primär auf dem Erforschten. Diesem Umstand wird leider viel zu wenig Beachtung geschenkt. Man unternimmt abenteuerliche Versuche, geistige Inhalte in physisch sichtbare und relevante Zusammenhänge zu pressen und vergisst dabei – sich selbst, das Instrument.

Kann man Anthroposophie im heute üblichen wissenschaftlichen Kontext “beweisen“?

Meine Antwort ist ein klares Nein: denn sie ist eben eine Geisteswissenschaft. Dem Geistigen liegen andere Gesetze zugrunde, die eine erweiterte Erkenntnisfähigkeit erfordern. Der forschende Anthroposoph mag auf diesem Weg eine gewisse spirituelle Reife erlangt haben: den Inhalt zu vermitteln und auf das alltägliche Bewusstsein herunter zu brechen, ist kaum möglich.

Der wichtigste Impuls müsste meines Erachtens nicht im Herunterbrechen liegen, sondern im Erhöhen des Bewusstseins. Der Fokus müsste auf diese Tätigkeit gelegt werden. Warum soll man beispielsweise  dem im Alltagsbewusstsein verhafteten Menschen die Tatsache eines „höheren“ Ich’s “beweisen“? Welcher Sinn liegt darin? Ist das nicht ein missionarisches Anliegen? Und wie viel fruchtet eine solche, nur auf Überzeugung basierte Erkenntnis? Vielmehr müsste letztere aus eigenem Erleben erfolgen. Damit steht die Aufgabe der Bewusstseinsentwicklung über dem Vermitteln von Inhalten. Sie beweisbar zu machen muss scheitern, wenn der Empfänger nicht die entsprechenden Antennen dafür entwickelt hat.

Das Vermitteln von Inhalten kann dem wohlwollenden Empfänger durchaus wichtige Impulse geben, die ihn auf den Pfad der höheren Erkenntnis führen. Dieser Weg liegt den meisten Anthroposophen zugrunde, die sich heute als solche bezeichnen. Die Gefahr besteht darin, dass man sich irgendwann in den Inhalten verliert. Man vergisst sich selbst und verhaftet sich mit den Objekten. Dadurch dogmatisiert sich jeglicher Inhalt, egal worauf er sich bezieht und wie hoch sein Wahrheitsgehalt ist. Mag dieses „Objekt“ Gott sein oder eine Maschine. Das Problem wird im Grunde nur dadurch gelöst, dass man in Selbsterkenntnis vor dem denkenden Inhalt erwacht.

Jede These hat eine Gegenthese

Eine weitere Gefahr dieser Art Beweisens wird dadurch geschaffen, dass sich die Empfänger nicht immer wohlwollend dem vermittelten Inhalt gegenüberstellen (wollen). Jeder im obigen Sinn geführte Beweis schafft letztlich immer eine Gegenthese. Die so ausgefochtenen Auseinandersetzungen führen nicht selten zu einer Streitkultur und zu Provokationen. Wenn nicht die Forderung zu einem erhöhten Bewusstsein besteht, sondern eine blosse Auseinandersetzung auf der physischen Ebene bestehen bleibt, so werden meines Erachtens falsche Werte vermittelt und geschaffen.

Die Frage, warum man sich auf der physischen Ebene durch nur dieser entsprechende Wissenschaftlichkeit so sehr bemüht, muss ebenfalls hinterfragt werden. Oft sind es schlicht Anerkennungsfragen, hinter denen letztendlich auch die Frage nach Finanzierung von Projekten und Initiativen steht. Würde der ideelle Aspekt in den Vordergrund gerückt, so müsste anders vorgegangen werden. Denn genau hier setzt wieder die Frage der Erkenntnis und des Bewusstseins an. Weil aber solche Projekte mit der Finanzierung, zum Beispiel der anthroposophischen Therapien, steht und fällt, ist man gezwungen, sich den Fragen der damit verbundenen Behörden und Fachgremien zu stellen. Deren Bereitschaft, sich auf „höhere“ Ebene einzulassen wird dabei wohl eher gering bleiben. Inwieweit diese schwierige Aufgabe Anpassungen erfordert, bleibt abzuwarten. Es scheint mir jedenfalls eine unheilige Allianz zu sein.

Wo liegt das Hauptmotiv der Forschung?

Doch zurück zum obigen Zitat Rudolf Steiners. Die Grundsatzfrage müsste doch immer lauten: was ist das Hauptmotiv, warum jemand Wissenschaft betreibt? Nicht die blosse Tatsache, dass man wissenschaftlich sei ist gefragt, sondern warum? Man kann sich gut vorstellen, dass jemand durch Wissenschaft sich Vorteile verschaffen will. Das Motiv könnten wirtschaftliche Vorteile sein oder Machtvorteile. Ebenso gut können Emotionen im Spiel sein, die so etwas wie Befriedigung verschaffen gegenüber anderen, Stolz, Schadenfreude uvm. Im Umfeld solcher Bedürfnisse muss man sich fragen, wie weit man gezwungen wird, mitzuhalten.

Das Motiv der “Erhöhung des Daseinswertes“ hat natürlich eine ganz andere Relevanz. Hier geht es nie um Zwang, sondern um die Freiheit. Es geht um die reine Erkenntnisfrage. Der Druck der Anforderung von Wissenschaftlichkeit macht sich vor allem dann breit, wenn es um Finanzierung von Leistungen geht. Dahinter steckt fast immer die Nutzenfrage. Was nützt diese oder jene Therapie, diese oder jene Methode. Die Therapie mag noch so viele empirische Erfolge aufweisen, bewiesen ist sie im naturwissenschaftlichen Kontext natürlich nicht. Damit tun sich selbst pharmazeutische Firmen oft schwer. Wenn ein Medikament, welches 15000.- CHF im Monat an Behandlungskosten verursacht, zu dem Ergebnis führt, dass das Leben des Behandelten (vielleicht) 10 Monate verlängert wird, so liegen die Fakten der Beweisbarkeit doch auf einer dünnen Eisschicht? Zudem kann es kaum jemand anders beweisen, als diese Firma selbst.

Der wissenschaftliche Anspruch

Auf der Grundlage solcher Problematik entsteht oft der wissenschaftliche Anspruch in der Medizin, aber auch anderswo. Nur dass Bedingungen für alternative Methoden oft deutlich resoluter sind. Vor diesem Hintergrund erkennt man erst recht, wie sehr das Motiv der Wissenschaft im Zentrum stehen muss. Ist sie eine blosse Reaktion auf diesen äusseren Druck oder ist sie innerstes Erkenntnisbedürfnis?

Rudolf Steiner ergänzt seine Bemerkung in „Wahrheit und Wissenschaft“ folgendermassen: “…wer letztere (die Erhöhung des Daseinswertes der menschlichen Persönlichkeit) nicht in dieser Absicht betreibt, der arbeitet nur, weil er von seinem Meister solches gesehen hat, er “forscht“, weil er das gerade zufällig gelernt hat. Ein “freier Denker“ kann er nicht genannt werden.“ – und weiter: “Aber vielleicht verlangt die Wissenschaft der Gegenwart gar nicht nach ihrer philosophischen Rechtfertigung! Dann ist zweierlei gewiss: erstens, dass ich eine unnötige Schrift geliefert habe, zweitens, dass die moderne Gelehrsamkeit im Trüben fischt und nicht weiss, was sie will“.

Praktische Fragen

Selbstverständlich sind solche Aussagen und Ideale über philosophische Grundforderungen Allgemeinplätze, idealistische Abhandlungen, die den wahren Kern der Wissenschaft tatsächlich oft verfehlen. Deshalb muss man wohl ins Praktische eintauchen, um der Sache näher zu kommen. Eine wissenschaftliche Frage, die heute sehr aktuell ist, könnte zum Beispiel lauten: wie reagieren Krebszellen auf verschiedene Stoffe. Um dies zu erforschen, entnimmt man üblicherweise die Zellen ihrem lebendigen Organismus und verlagert das Geschehen nach aussen. Dann fügt man diesen isolierten Zellen verschiedene Stoffe zu und rapportiert den Verlauf des Prozesses akribisch. Dabei gibt es Stoffe, die sich für den Krankheitsverlauf positiv auswirken und andere die einen negativen oder gar keinen Effekt zeigen.

Aufgrund solcher Studien werden Medikamente hergestellt. Weil der Stoff im Medikament aber nicht isoliert zur Wirkung kommt, sondern im lebendigen Zusammenhang mit einem Ganzen steht, gibt es nicht berechenbare Nebeneffekte: Sogenannte “Nebenwirkungen“ sind die logische Konsequenz davon. “Bitte lesen Sie die Verpackungsbeilage“…

Die Dimension des Lebens

Dieses Beispiel zeigt auf, dass der naturwissenschaftlichen Forschung eine wichtige Dimension fehlt, nämlich jene des Lebens. Um aber dahinter zu kommen, welche Wichtigkeit diese fehlende Kraft in der Forschung hat, müsste der Forschende sich grundsätzliche Fragen, nämlich philosophische, stellen! Erst über den Umweg einer philosophischen Fragestellung gelangt man zu neuen Forschungsaspekten. Da jedoch die Erkenntnis einer “Lebenskraft“ dem Beweis derselben vorangehen muss, setzt dies die Offenheit und Unvoreingenommenheit des Forschers voraus!

Und genau dieser Schritt müsste von der “anderen Seite“ getan werden, bevor man eine Beweissituation schafft! Genau an dieser Hürde scheitern die meisten Versuche aller Erklärungen. Deshalb wird sich jede Art von wissenschaftlicher Tätigkeit im spirituellen Bereich gezwungenermaßen schwer tun, wenn sie auf die materiell ausgerichtete physische Wissenschaft trifft. Das Dogma des Materialismus ist der grosse Verhinderer fruchtbaren Zusammenwirkens. Es ist der grosse Schatten dieser Art von Naturwissenschaft, der sich zu allem Übel schon im Ansatz ein unwissenschaftliches Fundament für den Dialog schafft!

Auch dieser Aspekt zeigt einmal mehr auf, dass der ideelle Überbau eine Erkenntnisfrage und somit auch eine Bewusstseinsfrage ist. Auch auf diesem Weg stossen wir wieder auf einen ähnlichen Grundsatz. Dieser steht über allem wissenschaftlichen Forschen.

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… – Einblicke in die Kunsttherapie… ein Resume nach 25 Jahren…

„Ich glaube nur, was ich sehe…“ – Dogma

GlaubenVom materialistischen Standpunkt aus betrachtet, geschieht unser denken – fühlen – wollen über das Nervensystem und damit im Gehirn als deren zentralem Organ. Jeder Mensch hat ein ihm spezifisches, individuelles und unvergleichbares Gehirn.

Aus der Sicht des Materialismus erfolgen Gedanken und Gefühle aufgrund biochemischer Prozesse in den Nervenbahnen. Wenn also der Materialist sagt: „ich denke“, dann ist dieser Gedanke seiner Theorie gemäß nichts anderes, als ein Vorgang von diversen Abläufen in den Schaltstellen seines Gehirns. Jetzt kann man sich fragen, woher es denn kommen kann, dass auch nur zwei Menschen den gleichen Gedanken haben können, warum z.b. alle Materialisten sich an diese ihre eigene Theorie anlehnen können?

Wo bleibt Gott?

Das müsste doch zur Folge haben, dass es etwas Übergeordnetes gibt, etwas, was quasi über all diesen Gehirnen „in der Luft liegt“. Ein Prozess, der verschiedene Aussagen oder Meinungen zu einem Thema miteinander verbindet und von vielen Gehirnen verstanden wird, kann niemals in einem einzigen, individuellen Gehirn stattfinden. So weit so gut. Es muss also „etwas“ geben, was dem zugrundeliegenden Erkenntnisprozess übergeordnet ist und was sich in vielen Gehirnen gleichzeitig oder nacheinander manifestieren kann. Je nach Art und Offenheit des Denkenden, verbinden sich somit Gedanken untereinander zu einem objektiven Tatbestand. Wenn Sie das, was ich hier schreibe, nachvollziehen können, dann ist der Beweis erbracht, dass dem so ist. Nämlich: Dass Sie (im gleichen Moment!) – wo Sie dieses lesen – denselben Gedanken mitdenken können! Ist das nicht unglaublich? Und dann sind Sie gewiss auch kein Materialist, auch wenn Sie sich vielleicht gerne so nennen oder sehen mögen…

Und nun zum Dogma

Aber auch wenn Sie es nicht verstehen, heisst das noch lange nicht, dass Sie ein Materialist sind. Es ist nämlich gar nicht so einfach, einer zu sein! Es könnte durchaus sein, dass ich meine Worte für Sie ungünstig gewählt habe, oder Begriffe eingeflochten habe, die Sie nicht zu deuten wissen – oder dass es Ihnen erst durch mehrmaliges Lesen erschliesst, was gemeint ist und so weiter…
Diese Denkmöglichkeit liegt aber jenseits des Materialismus! Sie ist sozusagen Materie unabhängig! Sobald wir das Denken außerhalb des Gehirns legen, haben wir als pragmatisch denkende Menschen ein Problem. „Ich glaube nur an das, was ich sehe…“. Dieser berühmt-berüchtigte Satz dementiert alles, was sich jenseits vom Sichtbaren, Wägbaren usw. abspielt. Konsequenterweise müssten selbst Smartphones bezweifelt werden und jegliche digitale, webbasierte Übertragung von Daten, wie ich sie eben in diesem Moment, wo ich diese Gedanken via Datenbahnen in die Wolke sende, tätige.
Aber weil es eben funktioniert, glaubt man es auch. Man macht eine grosszügige Ausnahme. Aber da beginnt auch gleichzeitig das Problem des Dogmas. Natürlich funktionieren noch ganz andere Dinge: Tausende und abertausende von sogenannten „Wunderheilungen“, seltsamen Phänomenen und dergleichen, könnten die Sache mit dem „ich glaube nur, was ich sehe“ – Dogma ebenso ins Wanken bringen. Denken Sie darüber nach…

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… – Einblicke in die Kunsttherapie… ein Resume nach 25 Jahren…

 

Kann der Materialismus denkend überwunden werden?

LebensquelleObwohl das Denken an sich schon eine geistige Tätigkeit ist, wird es schwierig sein zu beweisen, dass es eine solche (geistige) Realität überhaupt gibt! Dies liegt am Charakter der normalen, materialistischen Denkweise. Aus diesem Umstand geht hervor, dass es für den Menschen keine wirkliche Freiheit geben kann! Denn ein solches Denken ist vom Gehirn (also von der materiellen Existenz unseres Körpers) abhängig und kann somit auch zu nichts anderem führen. Wie können wir diesen Graben überwinden? Rudolf Steiner hat in seiner „Philosophie der Freiheit“ Wesentliches beigetragen, diesen Konflikt zu lösen. Er zeigt auf, wie die Existenz einer solchen geistigen Welt auch denkend in Erfahrung gebracht werden kann.

Eine interessante Begegnung

Vor kurzem habe ich einen mir nahestehenden Mann wieder getroffen, den ich sehr schätze als Mensch und Mentor und der mir in meinem Leben zu einem sehr wichtigen Schritt verholfen hatte. Ohne ihn, hätte ich vieles verpasst: er schaffte mir den Zutritt in die psychiatrische Klinik in Basel als „anthroposophischer Kunsttherapeut“. Dort konnte ich im Rahmen der Ergotherapie, einige Jahre arbeiten, was wesentliche und entscheidende Erfahrungen mit sich brachte. Er selber, als therapeutischer Leiter dort wirkend, ist seit einem Jahr in Rente.

Ich traf ihn in der Stadt und redete mit ihm eine ganze Weile. Es ist mir bekannt, dass er schon seit langer Zeit als Zen-Buddhist und Lehrer wirkte. Umso erstaunter war ich, als er mir mit feierlichem Ernst ungefähr folgendes sagte: es sei doch schade, wenn man gewisse Entscheidungen nicht zu treffen wage (es ging um die Trennung in der Ehe), und unglücklich ein Leben lang beim Partner bleibe, aus Mitleid, Angst, Gewohnheit oder anderen Gefühlen heraus. Dem konnte ich selbstverständlich ohne zu zögern zustimmen. Etwas irritiert reagierte ich auf diesen Zusatz: Man lebe ja schliesslich nur einmal und da müsse man die richtigen Entscheidungen treffen. Auf mein erstauntes Erwidern: „Ach ja, meinst Du wirklich, dass wir nur einmal leben?“ – reagierte er nur mit einem mitleidigen, eher abweisenden Lächeln über diese Bemerkung.

Einmaliges Leben?

Dennoch ging mir seine entschlossen wirkende Aussage lange nach. Wer kann schon von sich behaupten, so fragte ich mich selbstkritisch, zu WISSEN, dass er oder sie mehrmals lebt oder gelebt hat! Es ist und bleibt immer eine Glaubenssache, wenn man von Erfahrungen und Erlebnissen spricht, die „jenseits“ der Materialität gemacht werden/wurden. Selbst vom Denken kann man behaupten, es sei doch nur eine Art synaptische Produktion von Neurotransmittern, ein rein biochemischer Vorgang im Gehirn also. Und wenn das Gehirn weg sei, sprich, wenn jemand gestorben ist, so sei auch alles andere weg. Es gäbe keine sogenannte „geistige“ Welt. Das seien lediglich Hirngespinnste…

Philosophie der Freiheit

Obwohl ich absolut nicht dieser Meinung bin, fällt es mir immer wieder schwer, nachhaltige „Beweise“ zu liefern, die solche Aussagen klar zu widerlegen vermögen! Ich stiess, im Umgang mit dieser Begegnung, zum gefühlten 1000.sten Mal auf das Buch Rudolf Steiners, welches mich seit Jahrzehnten begleitet und in Trab hält: Die „Philosophie der Freiheit“ – und der Frage, kann ein Geist, der von seinem Hirn gesteuert wird, jemals frei sein? Es mag für Sie, liebe Leserin, lieber Leser, vielleicht eine Enttäuschung, sein, dass ich mich nicht endlich geschlagen gebe. Sie haben möglicherweise schon gedacht: Nun kommt er zur Vernunft und sieht es ein, dass wir nur einmal leben können!? In Tat und Wahrheit sieht es schon ein bisschen anders aus in mir. Mein Erkennergeist will die Wahrheit ergründen, keine Sprüche oder Dogmen gelten lassen, egal, aus welcher Ecke sie kommen mögen. Jedenfalls, nur in dem besagten Buch fand und finde ich wirkliche Ansätze, bereits auf der DENKERISCHEN Ebene, den Wahn des Materialismus zu durchbrechen! Das scheint notwendig zu sein, um dem materiellen Bewusstsein zu Klarheit zu verhelfen. Indessen bleibt die Frage, kann das Denken jemals durchbrochen werden?

Wie denken Sie darüber?

Was sagen Sie zu meinen bisherigen Gedanken? Quatsch? Interessant? Toll? Unhaltbar? Eigenwillig? Immer das Gleiche? Möglich, aber auch Ihre Einwände sind immer nur gedacht! Sie können gar nicht anders, als meinen Gedanken in Gedanken zu folgen! Und jetzt denken Sie einmal über das Denken nach statt über den Inhalt! Versuchen Sie, auszubrechen aus dem (Teufels-?) Kreis der Gedanken! Kommen Sie jetzt weiter? Finden/spüren Sie irgendwo einen Punkt ausserhalb des Denkens? Etwas, was NICHT gedacht ist? Denken Sie darüber nach! Selbst wenn Sie über das Denken nachdenken, denken Sie! Immer denken Sie, wir alle, wenn wir ERKENNTNISSE haben wollen, wenn wir etwas von der Welt ERKENNEN wollen, denken. Die absolute Generalfrage lautet also: Können wir BEWUSST auf eine andere Ebene gelangen, als die des Denkens, eine Ebene, die ÜBER, nicht UNTER dem Denken steht?

Das Gefühl ist wichtiger als das Denken?

Sind es vielleicht die Gefühle? Sind wir im Fühlen tatsächlich bewusster als im Denken? Auch dies ein oft vertretener Standpunkt (notabene ebenfalls gedacht). Doch entstehen die Gefühle nicht aus der Gedankenwelt heraus!? Ein Beispiel: Wir treten vor einen Laden. Wir sehen hinter dem Schaufenster schönen Schmuck oder irgendetwas anderes. Um den Schmuck nicht nur roboterhaft visuell anzustarren, sondern ihn zu ERKENNEN müssen wir denken (nebst dem Wahrnehmen), müssen uns einen BEGRIFF davon bilden! Und daraus erst entsteht, sekundär zum Erkennen, ein Gefühl, zum Beispiel die Begehrlichkeit nach dem Artikel!

Gedanken erzeugen Gefühle

Auch wenn das Begriffebilden nicht immer, oder sogar meistens, nicht sehr bewusst passiert, so MUSS es doch passieren, um überhaupt ein Gefühl damit verbinden zu können! Gefühle sind also sekundär, sie stehen in der Bewusstseinshierarchie UNTER oder HINTER dem Denken. Mit dem Wollen ist es doch ebenso. Der Wille erfolgt aus dem Gefühl, in diesem Fall aus der Begehrlichkeit, heraus. Beispiel: Wir bilden den Begriff (denkend): Schmuck; wir fühlen ein Begehren (Gefühl); wir kaufen den Gegenstand (Tat/Wille). In diesem Beispiel wird deutlich, dass Gefühl und Wille normalerweise UNTER dem Denken liegen. Trotzdem müssen diese Gedanken nicht immer vollbewusst sein. Sie können einem automatisierten Traum ähnlich sein, in den Vorstellungen traumhaft aufleben usw. Dazu später mehr.

Dem Dogma entrinnen

Die Frage ist bei weitem noch nicht beantwortet. Denn sowohl Gedanken, wie Gefühle, wie das Wollen, könnten doch einem rein neurofunktionalen Quell im Gehirn entspringen. Und damit ALLE, aber wirklich ALLE unsere Vorstellungen, Dogmen, Erkenntnisse, die wir im Laufe des Lebens gemacht haben. Selbst akrobatische Argumente, welche die Sinnfrage berühren, beziehungsweise den Unsinn und die Verworrenheit dieses Denkens sind doch auch wiederum nichts anderes als Gedanken! Man könnte tatsächlich ver-rückt werden.

Insofern wird die Ebene nicht verlassen, die ja gerade als „geistiger“ Vorgang von Materialisten bezweifelt wird. Dass es sogar Zen Buddhisten sind, die doch selbst jahrelang meditieren und es gewiss zu beachtlichen „geistigen“ Fähigkeiten bringen können, hat mich doppelt stutzig gemacht. Dennoch hilft alles Argumentieren nichts, weil wir diese Ebene normalerweise nicht verlassen können, die doch immer wieder Gedanken und Gegengedanken aneinander reiht. Oder gibt es sie doch? Das ist die Kardinalfrage! Hier und Jetzt – an einem solchen Ort der „Stille“, würde dieses Denken erst aufhören! Was aber steht letzterem höher, steht quasi „über“ ihm? Gibt es ein Bewusstsein, welches wirklich LEIBFREI (bezw. Gehirnfrei) existieren kann? Ist das blosse Nicht-Denken denn schon wirklich leibfrei? Und, geht das überhaupt?

Es gibt tausende von „Beweisen“, wie z.B. medial veranlagte Menschen uns scheinbar aufzeigen, die uns glauben machen, mit Toten sprechen zu können usw. Aber auch hier gibt es haufenweise (materialistische) Einwände, so überzeugend sie auch zu wirken vermögen und die nicht so leicht von der Hand zu weisen sind. Es kann ja sein, dass das Medium lediglich die Fähigkeit besitzt, die Gedankenströme seines Gegenübers zu lesen und viele solche – eben Gehirn gebundene bedingte Möglichkeiten. Sie alle sind nicht wirklich zu widerlegen, so sehr man sich auch verkrümmt! All dieses Widerlegen ist wiederum gedankenbedingt und an Begriffe geheftet.

Ist leibfreies Bewusstsein möglich

Und wieder komme ich auf Rudolf Steiners Ansatz, der auf Denkebene Anregungen zu geben vermag, um die Tatsache des Bewusstseins in LEIBFREIHEIT wirklich nachzuweisen: Die „Philosophie der Freiheit“. Es soll hier ein klitzekleiner Versuch, soweit im Rahmen eines Blogartikels überhaupt möglich, gemacht werden, wenigstens einen Hinweis darauf zu geben, wie dies geschieht. Welche Dämme durchbrochen werden müssen, um als Nichteingeweihter nicht ewig und unzufrieden auf blossem Glauben stehen zu bleiben. Das Zeitalter, wo Glauben selig machte, ist definitiv vorbei. Um etwas zu bewirken müssen wir uns in ernster Weise begriffliche Klarheit über die Dinge verschaffen.

Manche Philosophen stellten nicht das Denken als Hauptkraft dar, sondern das Bewusstsein. Die Frage erübrigt sich jedoch, ob zuoberst das Bewusstsein zu stehen habe statt dem Denken. Denn will ich über diese Frage urteilen, so muss ich sie (als im Hier und Jetzt lebender Mensch) wiederum denkend ergreifen! Würde man einen Gott, einen Schöpfer des Menschen diese Frage stellen wollen, so wäre sie durchaus berechtigt. Denn dieser müsste mit dem Menschen erst das Denken erschaffen. Weil wir nun aber vom materiellen Standpunkt ausgehen MÜSSEN, um dem Vorwand des spirituellen Dilletantismus zu entgehen, haben wir gezwungenermassen beim Denken den Hebel anzusetzen. Denn alle Einwände, auch Ihre, die Sie möglicherweise bisher haben, sollten Sie bis hierher tatsächlich gelesen haben, waren gedanklicher Art. Deshalb kommt Steiner zum  Schluss: „Ehe anderes begriffen werden kann, muss es das Denken werden. Wer es leugnet, der übersieht, dass der Mensch nicht ein Anfangsglied der Schöpfung, sondern deren Endglied ist“.

Das Denken als Tatsache

Letzteres ist allerdings schon wieder ein rein hypothetischer Gedanke, so meine ich, der einen gewissen geistigen Hintergrund voraussetzt, ist also schon zu weit gefasst und für mich vorläufig irrelevant. Steiner wollte damit eigentlich nur sagen, dass wir vom gegenwärtigen Entwicklungsstandpunkt des Menschen ausgehen müssen und nicht einen vermeintlich „Höheren“ (das Bewusstsein) voraussetzen dürfen. Genauso unstatthaft wäre es, philosophisch andere Dinge als das Denken an den Ursprung der Erkenntnis zu setzen (Atom, Bewegung, Materie, Wille, Unbewusstes usw.), da deren Erforschung und Ergründung immer den Weg erst über das Denken nehmen müssen. Dabei darf zunächst nicht über das Vermögen (oder Unvermögen) „richtig“ zu denken ins Zentrum rücken, sondern lediglich der Umstand, DASS gedacht wird. „Das Denken ist eine Tatsache; und über die Richtigkeit oder Falschheit einer solchen zu sprechen, ist sinnlos.“ Letztlich geht es um die richtige Verwendung des Denkens, nicht um deren Existenz.

Denken ist verpönt

Denken ist verpönt bei vielen Menschen. Und gerade ein spirituell ausgerichteter Mensch wird sich schwer damit tun, sich über das Denken austauschen zu müssen. Ihm sind solche philosophische Anwandlungen zu „intellektuell“ und zu „kopfig“, was ich persönlich überhaupt nicht so sehen möchte. Und gar das Denken zuoberst zu stellen ist ein absolutes „no go“ für solche Menschen. Dass es hier zunächst zuoberst stehen MUSS, verdanken wir dem Umstand, dass wir uns nicht anders austauschen können auf der materiellen Ebene. Und nur hier kann das wirkliche Verständnis überhaupt erwachen für einen über der Materie liegenden, spirituellen Erfahrungsbereich. Dieser aber ist nicht ohne weiteres jedem zugänglich. Er bleibt zumindest dem materiellen Bewusstsein verborgen. Deshalb muss umso mehr von dieser Ebene ausgegangen werden.

Das Wesen des „Ich“

Mit dem „Denken“ meint Steiner in der erwähnten Schrift aber nicht die Fähigkeit „Gedankenbilder“ zu haben, wie dies oben schon angedeutet wurde und was noch eingehender beleuchtet werden muss! „Man sollte nur nicht verwechseln: Gedankenbilder zu haben und Gedanken durch das Denken zu verarbeiten. Gedankenbilder können traumhaft, wie vage Eingebungen in der Seele auftreten. Ein Denken ist dieses nicht.“ Es tritt immer mehr die Wichtigkeit eines „Punktes“ auf, von dem aus unsere Gedanken getätigt werden, einem „Ich“, welches der Träger dieses Denkens ist. Es wird ausserordentlich bedeutend sein, das Wesen dieses „Ich“ zu erkennen und einzuschätzen im Zusammenhang mit dem Denken. Wäre dieses „Ich“ nicht INNERHALB des Denkens wesenhaft anzufinden, so müsste jede Selbsterkenntnis schattenhaft und unvollkommen bleiben, ja unmöglich sein. „Die unbefangene Beobachtung ergibt, dass nichts zum Wesen des Denkens gerechnet werden kann, was nicht IM Denken selbst gefunden werden kann. Man kann nicht zu etwas kommen, was das Denken BEWIRKT, wenn man den Bereich des Denkens verlässt“. Dies müsste sich als „selbst-verständlich“ aus dem Gesagten ergeben. Genau hier liegt die Divergenz zum Zen-Buddhismus, wo man versucht, zu einem Ich-losen Zustand zu finden. Dies ist allerdings eine Illusion, denn auch hier liegt das Denken dieses Versuchs wieder quer in der Landschaft!

Ein Neues entsteht

Nun umfassen wir dieses „Ich“, diesen inneren Punkt jedoch nicht nur auf der Seite des Denkens, sondern ebenso auf der Seite der Wahrnehmung ins Licht des Bewusstseins. Dies sind, man muss sich dies immer wieder klar machen, alles ebenso Begriffe, die das Denken bildet. Aus diesem Grund ist es unzulässig, auf der einen Seite ein „Subjekt“ (das Denken) darzustellen und auf der anderen ein „Objekt“ (der Gegenstand), auch diese zwei Begriffe/Ideen entspringen wiederum dem Denken, also einem vermeintlichen „Subjekt“. Die Wahrnehmung ist zwar die Ergänzung, auf welcher Welterkenntnis stattfinden kann, während auf der Seite des Denkens das Selbstbewusstsein erwacht, wenn es sich SELBST zum Gegenstande macht! Dieses Denken nun aber verbindet Welt und Ich und schafft somit erst die Beziehung, aus welcher die Begriffe und Ideen entspringen. Hier schwelt ein tiefes Geheimnis, welches schon im Ansatz über sich hinauswächst, welches quasi den Anfang bildet zu der Frage, von der wir ausgegangen sind: Gibt es ein leibfreies (Gehirnunabhängiges) Bewusstsein. Mit dem Übergriff dieses Ich auf die Welt, auf die Gegenstände in der Welt, erfasst es beziehungnehmend den Umraum und erzeugt etwas vollkommen Neues. Dieses Neue muss begriffen werden…

Fatale Objekt/Subjekt-Spaltung

In der Wahrnehmung tritt uns als denkendes Subjekt ein Objekt entgegen. Aus dieser Perspektive ist unser Bewusstsein sozusagen zweigeteilt. Es gibt und gab Philosophen, die behaupteten, dass die Wahrnehmungsobjekte doch nur durch unser denkendes und Begriffe bildendes Anschauen überhaupt existierten. Wäre mit der Objekt/Subjekt-Spaltung der ganze Vorgang beschlossen, so könnte man dem kaum etwas entgegensetzen. Jedoch ist es ja grade dem Umstand zu verdanken, dass wir MEHR sind als blosses Subjekt, weil wir uns selbst betrachten können! Hier tritt dieses Neue erstmals auf den Plan. Wir können die Welt betrachten und wahrnehmen, aber wir können uns darüber hinaus auch SELBST wahrnehmen. Wir haben ein Bewusstsein vom Vorgang an sich. Damit heben wir aber die Spaltung auf! Was uns (in der Verhaftung) unmittelbar mit den Objekten verbindet, löst sich in der SELBSTBETRACHTUNG auf. Wir sind einerseits denkendes Subjekt, aber darüber hinaus und GLEICHZEITIG auch der Betrachter dieses Umstands! WIR bilden ja erst diese begriffe „Objekt/Subjekt“ aus der Selbstwahrnehmung heraus. Wenn man sich bis hierher Klarheit verschaffen konnte, so wird ein neues Feld erschlossen werden können, welches hier immer wieder beackert werden soll…

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… – Einblicke in die Kunsttherapie… ein Resume nach 25 Jahren…

Unser Hirncache

cache„Vorstellungen sind keine Gedanken, sondern (innere, subjektive) Wahrnehmungen“

Das ist ein Gedanke!

Warum ist das nicht auch eine subjektive Vorstellung?

Ich habe ihn im Moment, im Jetzt aus der unmittelbaren Selbstbeobachtung heraus gebildet. Er stand weder in einem Buch, noch im Internet. Und ich habe ihn auch von niemandem geklaut. Leider sind wirkliche Gedanken in unserem Leben umso seltener, je älter wir werden. Ursprünglich sind wir als denkende Wesen geboren, nicht als Vorstellende. Das Denken sollen wir entwickeln, nicht das Vorstellen. Weil wir aber unser Weltbild meistens auf dieses Vorstellen stützen, ist es subjektiv. Das Denken selbst steht ausserhalb von Subjekt/Objekt!
Schon im Kleinkindalter, setzen wir den Wahrnehmungen Begriffe entgegen. Wir versuchen im Laufe der ersten Jahre das Rätsel der Dinge aufzulösen, indem wir uns denkend bemühen. Dies geschieht nach und nach und in einer äusserst grossen Ernsthaftigkeit und Anstrengung.
Daran bilden wir unser Gedankenleben aus. Im Laufe der Zeit bündeln wir solche Erfahrungen in unserm Innern und speichern sie quasi ab. So etwa wie der Browser, im sogenannten „Cache“, Daten speichert, um sie jederzeit wieder verfügbar zu halten. Wir brauchen sie dann nicht mir irgendwoher zu holen und zu „aktualisieren“ (aus dem endlosen Datennirwana), sondern können sie in Kürze aufrufen und wiedergeben.

Der „Hirncache“

Ganz ähnlich wie der Browser tun wir es auch mit unsern Vorstellungen. Was in unserem „Speicher“ übrig bleibt, in diesem „Hirncache“ , sind eben innere Bilder, genannt die Vorstellungen. Es sind Dinge, von denen wir uns (einst denkend) ein Bild gemacht haben. Dieses Bild ist gespeichert und aufgehoben und wird in ähnlichen Situationen abgerufen. Dabei brauchen wir nicht mehr zu denken! Denn wir haben es ja bereits einmal gedacht. In dieser Art und Weise erstarrt unser Innenleben allmählich, erhärtet das, was wir landläufig das „Denken“ nennen, und wir verkrusten innerlich.

Es gibt selbstverständlich Dinge, die wir nicht jedes Mal neu denken müssen. Wenn wir etwa 3×3 rechnen, dann mühen wir uns nicht jedes Mal ab, wie in der ersten Klasse, um dem Ergebnis auf die Spur zu kommen. Sondern wir entnehmen das Ergebnis quasi fertig aus diesem „Hirncache“. Das tun wir mit vielen Dingen wohl zurecht! Es gibt aber Situationen, in denen es schlicht unangebracht ist, aus dem bereits vorgestellten Ergebnis zu schöpfen. Und es ist nicht nur unangebracht, sondern asozial und durchaus auch unkünstlerisch, dies zu tun. Je mehr wir diese Seite kultivieren, umso mehr werden wir zu Automaten, Robotern.

Es ist ein fataler Irrtum, das Denken mit dem Vorstellen zu verwechseln!

Dadurch, dass wir uns mit unseren Vorstellungen in dieser Weise verbinden – und identifizieren, sodass wir darob das Denken vergessen, verhaften wir uns mit einer niedereren Dimension in uns. Genauso kann der Cache des Browsers ja nicht mit dem unendlichen Datenmeer des Internet verglichen werden. So obszön dieser Vergleich für manche computerfeindliche Menschen klingen mag (auch sie sind nur in Vorstellungen befangen!), so nahe kommt es dennoch dem Charakter dieses Faktums. Nur muss man die Sache natürlich geistiger sehen! Dort würde dieses unendliche Datenmeer (des Internet) quasi mit einem All-Einen, All-Wissenden, All-Seienden verglichen werden müssen, mit dem wir uns nur im Denken, niemals aber mit dem Vorstellen verbinden können.

Die Vorstellungen, die doch so nützlich sind „um das Rad nicht immer neu erfinden“ zu müssen, können trotzdem schwer hinderlich sein. Sie sind es an allen Orten, wo es um eine Gesinnung geht, um eine Weltanschauung oder um Selbsterkenntnis, um „Glauben“, um Religion, um alles eben, wo es um eine innere Haltung geht gegenüber dem Anderen. Nicht Abgrenzung soll erzogen werden (das tut man aber genau mit diesem „Hirncache“), sondern Verbindlichkeit, Empathie, Verständnis. Denn auch der andere Mensch hat einen solchen Hirncache erschaffen. Nur dass er dummerweise niemals kongruent ist mit meinem! Die gespeicherten Daten haben eben ihren Ursprung in den gemachten Erfahrungen und Erlebnissen. Und da sind wir alle sehr unterschiedlich geprägt.

Habe den Mut wieder zu Denken!

Menschen mit einem grossen Hirncache agieren gedächtnisorientiert. Sie sind oft redegewandt, intellektuell und haben in jeder Situation sofort die passende Meinung parat. Sie müssen nicht mehr darüber nachdenken, was ihr Gegenüber eben gerade gesagt hat, sondern schöpfen aus einem Erfahrungspool heraus, der fix und fertig vorgegeben ist. Deshalb brauchen sie auch nicht zuzuhören, was der andere sagt. Denn schon nach wenigen Sätzen stellt sich das fertige Bild ein. So ist es und nicht anders. Wie wagst du es, dies zu bezweifeln! Dabei stellt sich sofort das (in ihrem Sinne) rechte Wort ein. Ob es richtig oder falsch ist, brauchen sie nicht abzugleichen. Es wurde irgendwann einmal gedacht und fixiert. Und steht nun für immer zur Verfügung. Solche Menschen findet man überall. Sie können ebenso materiell gesinnt sein, wie auch spirituell oder hoch religiös!

Beim Denken ist das anders. Ganz anders! Es gibt nie etwas Vorgefertigtes. Zu keinem Ding, zu keiner Aussage, zu keiner Meinung, zu keiner Wahrnehmung. Alles muss immer neu, aus dem Jetzt heraus, geschaffen werden. Darin liegt ein künstlerischer Impuls. Denken ist künstlerisch. Vorstellen formalistisch. Das erste ist lebendig, das zweite tot. Denken schafft aus dem Nichts heraus etwas Neues. Es stellt der Wahrnehmung einen Inhalt entgegen und vereint sich in der Beobachtung zur Intuition. Das ist religiös!

Fazit: Füttere Deinen Hirncache nur in Notfällen. Es braucht ihn – manchmal, leider. Aber mache es Dir nicht zur Gewohnheit, daraus zu schöpfen. Entdecke die Kraft des Denkens wieder!

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… – Einblicke in die Kunsttherapie… ein Resume nach 25 Jahren…

Des Menschen Engel ist die Zeit

Was mag der deutsche Dichter Friedrich Schiller sich wohl dabei gedacht haben, als er im Wallenstein diesen Satz aussprechen liess. Immerhin ist es heutzutage in Mode gekommen, die Zeit als eine abstrakte, illusionäre Erfahrung des Denkens abzutun. „Erleuchtete“ Menschen stimmen uns ein in das Wunder einer zeitlosen Erfahrung im Jetzt, einem Raum der Zeitlosigkeit und der All- Einheit des Geistes jenseits des Denkens.

Auch wenn diese Erfahrung schön und erstrebenswert klingen mag, so kann man doch etwas wunderbares abgewinnen am Phänomen der Zeit. Was ist Zeit? Zeit ist Bewegung, Entwicklung, Fortschritt oder auch Rückschritt. In der Zeit erleben wir eine Art Kontinuum der Handlungen, der Gefühle und der Gedanken. Es passiert Veränderung. Die Zeit lässt reifen. Zeit ist aber auch Heilung! In diesem Ablauf der Ereignisse verwandelt sich unser Bewusstsein allmählich. Es durchschreitet Hürden, Tore, Gipfel, Räume, aber auch Höllen, Dunkelheit, Abgründe. Und gerade dies kann auch positiv gesehen werden. Jede Schule, jeder Lernprozess, ja der Prozess überhaupt, sind Kinder der Zeit. Sie ist der unsichtbare Träger all dieser Erfahrungen, seien sie für uns positiv oder (zunächst) negativ.

Nun ist aber diese Zeit auch nichts anderes als eine Aneinanderreihung von gegenwärtigen Momenten, von lauter Jetzt-Erfahrungen. Unser Geist alleine vermag die Brücke zu bilden über diese Momente hinaus. Er kann sich von der fernen Vergangenheit erstrecken bis in die weite Zukunft hinein. Er haftet sich an bereits gelebte Erfahrungen, grübelt darüber nach, klebt an ihnen fest und klammert sich gleichermassen an Hoffnungen, wie an Enttäuschungen. Er schürt Ängste aus dem Versagen oder Ausfallen dieser Hoffnungen. Seine „Wohnstatt“ ist aber stets die Gleiche. Es ist die Geistes-Gegenwart. Allein hier ist Zeitlosigkeit.

So bringt der Geist, unser Bewusstsein, die Illusion der Zeit zustande, indem er auf Reisen geht. Der Körper bleibt immer am gleichen Ort, nämlich im Jetzt. Aber er nimmt die Verwandlungen wahr, er reagiert auf die daraus entstehenden Erfahrungen des schweifenden Bewusttseins. Andererseits braucht er diese Reisen, um sich zu entwickeln, um sich zu erneuern. Zeit ist also der Geist der Verwandlung aus der Bewegung. Sie ist der Schutzwall, hinter dem wir uns verbergen können. Sie ist aber auch der Impuls, der zur Tat anregt, zur Sühne, zur Wiedergutmachung, zur Hilfe – und die damit letztlich zur Heilung beiträgt.
Was anderes ist der Engel, der uns begleitet und beschützt?

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Krieg der Ideen

Der Kampf findet zuweilen schon in den Köpfen statt. Dort liegt der Urgrund vom Krieg. Ideen sind immer gut! Aber die Idee hat nur dann einen Sinn, wenn sie Realität geworden ist und nicht dort hängen bleibt, wo sie entstanden ist: im Kopf… aber was ist denn nun die beste Idee? Es ist natürlich meine Idee… oder?

Jede Idee, auch die „beste“ (aus Sicht ihres Eigners), wird mit Sicherheit ihre Gegner finden, wird Gegenargumente provozieren, die ihre Berechtigung haben. Fast jeder/jede meint, seine/ihre Idee sei die beste! Real gesehen, ist die beste Idee immer die situationsangepasste. Ideen können sich mit der Zeit verwandeln! Was zum einen Zeitpunkt gut ist, kann zu einem anderen Zeitpunkt genau das falsche sein. Ein Beispiel: Das leidige Ringen um Europas wirtschaftliche Zukunft zeigt es deutlich. Was für die Franzosen das Beste ist (Euro-Bonds), ist für Merkel das Schlechteste – im Gegenzug: Was für Merkel das Beste ist (Sparen), ist für die Franzosen das Schlechteste… Aber ich möchte mich nicht in politische Diskussionen einlassen und nun auch noch meinen bescheidenen Ideensenf (also mein Bestes) dazu geben. Schliesslich bin ich kein Finanzexperte und es geht mir jetzt auch um etwas ganz anderes.

Gute Ideen sind wichtig, aber das allerwichtigste ist, dass sich die unterschiedlichsten Ideen begegnen können! – „Ja, komm, immer diese Dialogmasche! Hauptsache wir haben darüber gesprochen usw. ! Das sind doch alles abgedroschene Begriffe!“ – „Sie kennen ja diesen Witz mit der Himmelstüre…?“ (…wohin gehen Sie lieber: in den Himmel oder zu Vorträgen über den Himmel…) Jeder Begriff, jede Idee wird früher oder später abgedroschen sein! Vor einigen Jahren gab es z.B. den Modebegriff „nachhaltig“, zu anderen Zeiten gab es wieder andere; heute gibt es diese, früher jene. Mit der Zeit verflacht jeder Begriff, je öffentlicher er wird, weil er nicht mehr mit der gleichen Tiefe erlebt wird. Das ist kaum zu vermeiden… heute spricht ja auch jeder von ganzheitlich… was er damit meint, ist eine andere Geschichte…

Begegnung lässt sich nun einmal nicht umgehen für jedes soziale Wesen und jede Entwicklung kann nur über den gemeinsamen Weg gehen. Dazu braucht es Offenheit. Für den Eisduscher wird der Kaltduscher immer ein Softie bleiben und für den Warmduscher wird der Kaltduscher ein Hardliner sein. Man kann auch darauf bestehen, dass dies bis ans Ende aller Tage so bleibt und darf sich über jeden „persönlichen Sieg“ freuen. Das heisst, wenn die eigenen Argumente den Gegner k.O.-schlagen, „bodigen“, wie es in der Boxersprache (…oder in der SVP) heisst. – Das ist doch absolut legitim und es freut den einen (…den anderen weniger). Kurzfristig verhebt diese Strategie durchaus! Mittelfristig und langfristig wird es jedoch immer nur Verlierer geben. Sicher, Argumente können auch überzeugen – besser wäre Einklang, Einigung statt Überzeugung… weil Argumente oft nur den Stärkeren bevorteilen.

Es geht also nicht um meine persönliche Idee, und um das, was ich gut oder schlecht finde; auch das ist wichtig – für mich persönlich ist es wichtig! Aber es hat zunächst nur dann einen Wert, wenn aus diesem isolierten Standpunkt wirklicher Konsens erwächst. Für mich alleine bleibt jede Idee letztlich wertlos, auch jede Weltanschauung, jedes Konzept. Einwand: „Jedes Argument bringt doch eine Erklärung und die Erklärung bringt Einsicht, so ist es doch?“ Gewiss, aber das Argument hat nur dann einen Sinn, wenn ich die Bereitschaft zeige, Gegenargumente wohlwollend aufzunehmen und bei Bedarf auch anzunehmen und nicht schon im Ansatz der „gegnerischen Intervention“ den Turbo einschalte: Statt hinzuhören, bereite ich meine eigene Gegenstrategie, den Gegenangriff vor… Und das braucht wieder eine gewisse Selbst-Reflexion… Solange ich auf dem eigenen persönlichen Standpunkt verharre, kann nur ein Mittel zum Sieg führen: der Krieg (ob im Kleinen oder im Grossen)! Manchmal ist es auch einfach Groll, Eifersucht, Neid usw. Aber es geht immer darum, Ideenwelten zusammenzubringen, egal wie sie heissen, woher sie kommen, welchen Standpunkt sie vertreten: ob politisch, kulturell, sozial, bildungsrelevant, religiös, künstlersich usw. Allein durch die Begegnung (auch, und insbesondere durch sehr unterschiedliche Wege, Ideologien, Weltanschauungen, Anliegen) kann Neues entstehen, auch wenn das von jedem die Bereitschaft zu einem Lernprozess erfordert.

Das ist doch alles idealistisches Geschwafel, wird man mir leicht entgegnen! Es geht doch um den Cashflow, um das dicke Geld! Um das Recht des Stärkeren, wie Darwin dies ausführte. Frage: Wenn Ihnen ein Mann – nennen wir ihn A.S. – für Ihre Dienste 2000.- zahlt und der zweite Herr, meinetwegen A.H. genannt, zahlt Ihnen 5000.- für den gleichen Dienst: welchen, der beiden Herren bevorzugen Sie? – Ist doch sowas von klar, natürlich den A.H. – wer würde das nicht tun? Das ist unsere normale Denkweise. Es geht gewiss nicht um Moral – wer ist der „bessere“ oder „schlechtere“ Mensch. Beides sind lediglich ihre Geschäftspartner, halt nur mit unterschiedlich dickem Portefeuille, denen Sie auch kaum moralisch auf die Pelle rücken wollen, wenn der Umsatz stimmt, zumal es sowieso nur Ihre persönliche Einschätzung von Moral gehen würde, die ja sowieso nichts aussagt… Wenn nun aber der erste Herr Albert Schweizer hiesse und der Zweite Adolf Hitler, dann würden Sie wahrscheinlich trotz allem ins Grübeln kommen, weil da nämlich noch mehr mit hinein spielt, als nur Geld und Geschäft, weil sich die Wertvorstellung plötzlich verschieben würde. Der Wert würde plötzlich nicht mehr am Verhältnis 2000:5000 gemessen, sondern an anderen Kriterien. – Solche „Geschäfte“ wurden ja gerade in der Schweiz ohne Augenzwinkern häufig getätigt… – Also doch moralisieren? Und wenn ich nun den beiden Herren sage. Gut! Sie können beide kommen. Ich gebe ihnen die Gelegenheit, sich miteinander auszutauschen, dann sieht die Sache schon wieder anders aus… (in der Hoffnung, dass der eine – hoffentlich der Richtige 🙂 – vom Anderen profitiert…

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Das innere Kind lieben lernen

Inneres KindDie Hauptfrage jeglichen Tuns, Fühlens, Denkens lautet stets, wer – WER tut es? Wer ist dieses Etwas hinter all dem, welches tut, fühlt, denkt und lenkt? Selbst wenn wir mit grossen Worten eine spirituelle Terminologie verwenden, wie im anthroposophischen Jargon oftmals von Aetherleib, Astralleib und Ich gesprochen wird, so heisst dies noch lange nicht, dass wir aus der Instanz heraus sprechen, die real und wirklich diese benannten Ebenen überschaut und durchschaut. Eine solche Instanz kann aber nur das wahre, geistige Ich sein, von dem aus wir sprechen, oder zu sprechen meinen! Was aber, wenn wir nicht aus ihm sprechen? Wer spricht dann?

Und: Warum sprechen wir denn doch darüber?

Warum wiederholen wir so gerne die Inhalte anderer, pflegen sie, als ob sie unsere eigenen Erfahrungen sind? Weil wir oftmals selber keine spirituellen Inhalte haben, die real und wirklich erlebt sind! Und weil Inhalte von anderen uns eine gewisse Sicherheit vermitteln! Weil sie uns das Gefühl geben, furchtbar gescheit zu sein! Wir füllen dann diese („objektiven“) Begriffe mit unseren persönlichen („subjektiven“) Inhalten. Aber diese Inhalte sind nicht aus der Erfahrung unmittelbar dessen entsprungen, was wir vertreten, zitierten, wiedergeben, sondern aus den persönlichen, psychischen Tiefen gewonnen – gezüchtet wäre wohl besser – die wir in unserem Leben zusammen geschustert haben. Damit bleiben wir aber auf der sinnlich-physischen Ebene und in der Dualität verhaftet. Imagination oder Inspiration ist es nicht. Und schon gar keine Intuition! Dazu müssten wir die Geheimnisse der Metamorphose erkennen.

Ein Begriff wie den des Aetherleibs zum Beispiel, ist gefüllt mit vielen Zitaten, Gedanken und Inhalten anderer.  Damit werden wir aber niemals zum wesentlichen Inhalt finden, zum eigentlichen Tatbestand, der dem Begriff zugrunde liegt. Dieses liegt in der Metamorphose. Dieser Gedanke muss letztlich erlebt werden, nicht begriffen! Goethe konnte seine Gedanken SEHEN! Er rühmte sich sogar, niemals über das Denken nachgedacht zu haben. Das musste er auch nicht, denn sein Denken war ein Imaginieren! Um diesem Erlebnis näher treten zu können, müssen wir den ganzen Wissenskram, egal welchen „Höhen“ des Kosmos er entspringen mag, egal welche geistigen Grössen dahinter stehen, egal, wieviel „objektive“ Wahrheit dahinter steckt oder nicht, über Bord werfen! Die ewig klugen Reden müssen aufhören und ein inneres Erleben – muss an deren Stelle treten! Erst so erkennen wir unser „inneres Kind“.

Die letzte Frage

Was übrig bleibt ist dann nur noch diese eine Frage: wie kommen wir an das Erleben heran? Irgendwann im Leben interessiert man sich nur noch für diese Frage. Wenn der Wissenskram es geschafft hat, uns an diese Frage heranzubringen, dann hat er uns einen guten Dienst erwiesen! Ich erinnere an Goethes „Faust“ („ich habe – ach… Philosophie, Theologie usw. studiert… und bin so klug als wie zuvor!“). Es gibt viele Konzepte, viele Anschauungen, viele Erfahrungen und Erlebnisse anderer, die wir nachlesen können, mit denen wir versuchen können, uns an unser eigenes erleben vielleicht ein Stückchen heranzutasten. Jeder dieser Wege hat eine mehr oder weniger hilfreiche Funktion. Aber die Gefahr einer Entfernung oder Entfremdung von diesem eigentlichen Ich, ist sehr gross, wenn nicht sogar unausweichlich. Keiner kann mit dem Verstand wirklich erfasst werden. Der Verstand selber ist die Mauer, die es zu überspringen oder zu durchbrechen gilt. Er ist lediglich ein Hilfsmittel, eine Krücke dafür, uns überhaupt an diese Mauer heranzutasten und irgendwann zu merken: Hey, da ist etwas, da komme ich nicht mehr weiter, das blockiert mich! Die meisten bleiben aber dort stehen und benutzen sie als Schutzwall. Ein Schutzwall, um gegen die Angriffe von aussen zu agieren, sich zu verteidigen, zu rechtfertigen, zu behaupten; sich gegen den anderen, das andere zu stellen, sich abzugrenzen, Bollwerke aufzubauen. Ein ganzes Leben scheint oft nicht auszureichen, um dies zu erkennen. Denn dazu müsste man – und es ist das Kernthema dieses Blogs – sich selbst anschauen! Wieviel Groll, Neid, Missgunst, Kampf und Unmut gibt es doch im sozialen Umfeld, oft gerade auch in spirituellen Gemeinschaften!

Selbsterkenntnis ist für viele Menschen, leider oft auch in sogenannt spirituellen Kreisen, ein Fremdwort!

Lieber hängt man sich an Floskeln, spirituell Einverleibtes, dogmatisch Verfestigtes. Man wird mir leicht auch den Vorwurf machen können, immer die gleiche Leier abzuspielen, immer die gleichen Phrasen zu dreschen. Aber ich versichere, dass es keine Phrasen sind, sondern der eigentliche (selbst erlittene!) „wunde Punkt“, an dem die meisten von uns, mich eingeschlossen, leiden. Einige erkennen ihr Übel, andere nicht. Es gäbe natürlich viel interessantere „geistige Zusammenhänge“, mit denen ich Ihr Hirn füttern könnte! Schliesslich habe ich gewiss bald die halbe Steiner-Literatur gelesen (und das ist viel!). Ich könnte Ihnen davon berichten, wie jenes sich zu diesem verhält und wie der eine Bezug wieder einen neuen Bezug zum anderen ergibt und sich verwandelt durch dieses und jenes! Und schliesslich, wie jenes mit diesem sich wieder neu verknüpft. Wie interessant und spannend doch vieles ist und doch so weit von geistig Realem entfernt! Jetzt verpackt man diese Inhalte in schöngeistige Worte und verleiht ihnen einen Hauch von Absolutheit und Ehrfurcht. Vortreffliche Analysen werden gezogen und man freut sich darüber, einen neuen Zusammenhang erkannt zu haben im Universum des Wissens! Man glaubt, diese Art von Erkenntnissen bringe uns näher an das Wesentliche (in uns) heran. Aber das ist nicht der Fall… denn

Das Wesentliche sind wir selbst

Tatsächlich rücken wir immer weiter vom Wesentlichen ab, indem wir uns mit immer neuen Inhalten verbinden und diese miteinander in immer neue Beziehungen setzen, sie erforschen und zerteilen, zerpflücken, weiter führen, und wieder zu integrieren versuchen usw. Das füttert vor allen Dingen unsere Neugierde. Es befriedigt uns in etwa so, wir uns diese oder jene neue Errungenschaft befriedigt. Meist mit einer kurzen Halbwertszeit. Bald schon versinkend im Datennirvana unserer Gehirne. Solange wir nicht imstande sind, diesen ewigen Kreislauf des Sammelns und Jagens (physisch, psychisch und mental, in Form von Wissen) zu durchbrechen, nähern wir uns keinen Schritt, auch nicht den geringsten – an uns Selbst.

„Aber wir müssen uns doch gerade von uns selbst lösen!“ sagen viele! „Du begreifst das nur nicht, mein Freund!“ Diese Stimmen meinen ein anderes Selbst, das wir auch Ego nennen. Und sie tun es tatsächlich, wenn sie Wissen sammeln, sich von sich selbst lösen, aber eben nicht vom Ego, sondern von einen anderen Selbst. Sie vermischen das eine „Ich-Gefühl“ des verhafteten Menschen mit dem anderen wahren „Ich-Gefühl“ des inneren Friedens, was wir eigentlich im Kern sind! Aber wir müssen uns vom einen kleinen selbst, dem „Ego“, unserem „inneren Kind“, auch gar nicht lösen! Das stimmt selbst auf dieser Ebene nicht! Wir müssen dieses innere Kind „nur“ LIEBEN lernen, es in die Arme schliessen, es behüten und vor allem wahrnehmen. Sehen, wohin es geht, was es tut, was es denkt und fühlt, wann es sich beleidigt fühlt, angegriffen fühlt, jähzornig wird, traurig ist usw. usf. – ganz so, wie man dies mit den eigenen, kleinen Kindern auch tun möchte. Darin besteht gerade die leidvolle Ursache aller Verwirrung, dass wir im Laufe unseres Lebens, ein eigenes, kleines, persönliches selbst schaffen, welches das andere, wahre Selbst verdeckt – und es im Regen stehen lassen! Der allein gelassene Verstand gehört zum kleinen, selbst gebastelten ichlein, welches in solcher Weise hohe Mauern erstellt über ein Leben hinweg und uns in einen Kerker der Verhaftung einsperrt. Es sind die Mauern der Verbitterung, der Angst, der Unlust usw. Wenn wir dies erkennen, beobachten und lieben lernen, dann erst kann es sich verwandeln! Dann lernen wir diesen Blick auch nach aussen zu lenken und wir vernehmen die Stimme der Natur in uns selbst, sich auf einer anderen Ebene aussprechend… in der Metamorphose.

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Ist alles Kunst?

PapierknäuelZur Zeit (Dezember 2015) findet in der Basler Messe eine Ausstellung von Ben Vautier statt. Der Performer und Künstler stellt die provokative, jedoch mittlerweile gesellschaftsfähig gewordene Frage: “Ist alles Kunst?“
Bereits Joseph Beuys, der sich sehr mit der Anthroposophie Rudolf Steiners verbunden fühlte, implizierte in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Diskussion um die künstlerischen Intentionen und argumentierte in diese Richtung.

Glaubenssätze

Die Frage kann existenziell sein. Sie ist es jedenfalls für mich. Sie rechtfertigt oder vernichtet meine künstlerischen Ausbildungen, meine ganze Erfahrung, meine Talente (und Schwächen?), meine Präferenzen. Damit hängen viele Dogmen und Glaubenssätze, aber auch viel Leid und Freud zusammen, die in den letzten 5000 Jahren Kunstgeschichte kaum jemals so deutlich hinterfragt wurden wie heute. Jetzt ist die Zeit scheinbar gekommen, alles zu zertrümmern, was uns prägte, stärkte, schwächte, kurz unsere ganzen Ziele und Vorstellungen, denen wir unser bisheriges Leben zu „verdanken“ haben, nach denen wir uns richteten, über Bord zu werfen. Müssen wir deshalb gleich das Kind mit dem Bade ausschütten? Ist das “Alles ist Kunst“-Dogma nicht auch wieder ein neues Gefängnis unserer Vorstellungen in das wir hineintrampeln ohne es zu bemerken und welches uns den letzten Todesstoss gibt?

Tod der Kunst

Dass die Bejahung der so gestellten Frage gleichzeitig den Tod der Kunst bedeutet, wird den meisten Normaldenkern nicht klar sein. Zu jovial, zu locker, zu wenig gewichtig betrachten die meisten Menschen grundsätzlich die Tragweite und den Wert der Kunst. In vielen Fällen wird sie bestenfalls als wichtige Nebenbeschäftigung, als (oft brotloser) Sonntagsjob, angesehen. Jedoch, sie ist es gewiss nicht, behaupte ich jedenfalls; sie ist sogar das Wichtigste was es gibt für die Entwicklung der Menschheit und der Menschen! Die Tatsache, dass alles Kunst sei, entwertet die Gewichtigkeit derselben in Ihren Grundfesten und erschüttert überhaupt jede künstlerische Bemühung. So werden gerade diejenigen, die sich heute Kunstschaffende, Künstler nennen und die mit der Flagge des banalen, alltäglichen oder gar unterschwelligen, rein subjektiven „Sauglattismus“ oder einem blossen „Provokatismus“ auftreten, zu den grössten Feinden der Kunst (…viele tun es aus dem Verständnis dieser Paradoxie heraus unbewusst schon gar nicht mehr…). Ein Begriff der ALLES ist, ist generell absurd. Darin besteht ja gerade der Sinn und Zweck eines Begriffs, dass er sich von anderen Begriffen abhebt, unterscheidet. Wenn ALLES Kunst ist, dann ist Kunst ALLES und es gibt nichts mehr ausser Kunst. Aber es gibt auch sie selber nicht mehr! Schon aus diesem Grund ist die Frage sinnlos, denn sie schliesst ALLES mit ein. Sie wäre, philosophisch gesehen, der letzte Satz der menschlichen Geschichte vor ihrem Untergang, wenn sie ernst genommen würde. Ist es demnach nicht nur absurd, sondern sogar blosse Zeitverschwendung, sich überhaupt damit zu beschäftigen?

Kunstrealität

Und dennoch scheint es heute so etwas wie eine geschichtliche Bestätigung im Sinne einer Bejahung dieser Frage zu geben! Man wird das Gefühl nicht los, dass Jahr für Jahr immer mehr Argumente für die Beurteilung des im echten Sinne Künstlerischen bachab gehen. Nicht diese oder jene Argumente und Kriterien, sondern Kriterien generell. Argumente oder Aspekte wie Schönheit, Wahrheit, Echtheit, Können usw. verkümmern mittlerweile immer mehr, verwässern sich, werden unklarer denn je oder sie werden gar belächelt, wenn nicht sogar bekämpft und verpönt. Im Grunde gibt es gar keine solchen Kriterien mehr. Jeder ist sein eigenes Zentrum mit den ihm oder ihr eigenen Sichtweise und verteidigt diese aufs Blut gegenüber den “Mitstreitern“. So gewinnt der stärkere und der Darwinismus, den man doch vielerorts überwunden haben will, ist neu auferstanden. Ästhetische Aspekte sind sowieso verpönt oder werden in ein ALLES umgepolt. Unsinnigerweise werden gerade sie vom “Alles-ist-Kunst“-Dogmatiker ausgeschlossen! Der Subjektivismus beherrscht kein anderes Gebiet so sehr, wie die Kunst. Gerade deshalb ist sie zum Gradmesser, zum Thermometer unserer Gesellschaft geworden! Ein tragisches emotionales Zeugnis, wie ich meine und zugleich paradox zu einer Alles-ist-Kunst-Doktrin

Kunst als Königsdisziplin

Die Kunst war einstmals eine Königsdisziplin. Der Künstler gehörte zu den angesehensten Bürgern des Landes. Sein Können wurde bewundert oder gar verklärt. Die Kompetenzen und Fähigkeiten und das handwerkliche Geschick, wurden beispielsweise in der Renaissance sehr hoch bewertet. Diese Hochachtung hatte noch lange Bestand, im Grunde bis in das letzte Jahrhundert hinein, wenngleich ein Zerfall, ein Auseinanderbrechen einer tragenden zentralen Kraft, schon damals spürbar wurde. Trotzdem: Kunstschulen waren hochwertige Akademien, auch wenn Sie zuweilen antiquiert daher kamen. Ihre Lehrer waren selbst angesehene Künstler im Sinne von Könnern. Die Kriterien der Professionalität wurden hoch bewertet. Sie beinhalteten lange Zeit objektivierbare Maßstäbe. Auch wenn dabei die Gefahr einer Konservierung und Verkrustung, sowie einer Dogmatisierung der künstlerischen Anschauung durchaus bestand.

Kriterien der Kunst

Dennoch kann man die Frage einmal laut stellen: Welche künstlerischen Kriterien kann denn eine moderne Kunstschule überhaupt noch haben, wenn deren Philosophie in die oben gestellte Richtung zielt? Was soll an den heutigen Fachhochschulen für Kunst überhaupt noch gelehrt werden, wenn doch alles Kunst ist und grundsätzlich schon Kleinkinder kompetent sind? Es gibt dereinst keine angemessene, objektivierbare oder messbare Professionalität mehr! Die Kunst disqualifiziert sich selbst. Die geringste menschliche Handlung, sogar die tierische; jede Tätigkeit überhaupt, genügen dem so gearteten künstlerischen Anspruch, wenn man ihn konsequent nimmt.

Fachkompetenzen in der Kunst

Kein anderer Bereich als die Kunst, verlangt weniger fachliche Kompetenzen. Handwerker, Kaufleute, Wissenschaftler, Forscher, Lehrer, Köche, Bundeskanzler… innen immer mit eingeschlossen… erfordern höchste Ansprüche, um ihrem Fach gerecht zu werden. Ihnen allen wird akribisch auf die Finger geschaut. Und wehe, sie begehen Fehler! Ein Künstlertum dieser ART kennt keine Fehler, zumindest wird man dieses Gefühl in den bildenden Künsten nicht los. Alles ist gut, richtig – (nur unterschiedlich teuer).
Braucht es noch mehr Argumente um die gestellte Frage endgültig abzuhaken?
Wenn nein, so muss die nächste und entscheidende Frage lauten: Welche Kriterien hat ein Werk zu erfüllen, um dem Anspruch Kunst in professioneller Art und Weise zu genügen?
Problematisch wird es, wenn die Freiheit in der Kunst im Grundgesetz verankert ist, wie es in Deutschland zum Beispiel der Fall ist. Abgesehen vom “Alles ist Kunst“-Dogma, weiss ja keiner mehr, wo die Grenzen zu ziehen sind zwischen Kunst und Nicht-Kunst. Das wäre aber durchaus empfehlenswert und notwendig. Ansonsten wird es gefährlich. Denn allein die Definition “Kunst“ vermag den bis zur absoluten Dekadenz neigenden sogenannten “künstlerischen Akt“, was immer dies sein mag, in jeder Handlung zu decken. Wer entscheidet dann, ob es gegebenenfalls wirklich Kunst ist und somit der Freiraum gewährleistet werden muss, oder ob das nicht der Fall ist? Ein Richter?

Und was soll denn Kunst nun sein?

Sicher werden Sie vermuten, dass ich nun derjenige bin, der mit der weltumfassenden Lösung des Problems kommt und Ihnen die hyperkompetente Definition der Kunst gebe? Ich werde mich hüten. Dennoch beschreibe ich Ihnen gerne, wie meine Sicht und meine Erfahrung aussieht. Dazu braucht man ein wenig Bauchpinselei, denn sonst glaubt einem ja niemand mehr. Dass ich bereits seit 30 Jahren aktiver Kunstschaffender bin usw., dass ich künstlerische Prozesse intus kenne durch jahrelange Arbeit mit Kindern und Erwachsenen, denen ich ebensolche Kriterien nahebringen will, weil sie mit Fragen und Erwartungen an mich herantreten, weil sie sogar Heilung aus der Kunstbetätigung erhoffen, dies alles soll nur am Rande erwähnt werden. Am eindringlichsten sind meine eigenen Intentionen in Malerei und Plastik, im eigenen künstlerischen Versuch, entstanden. Dort zeigen sich immer quasi die Reflexionen meiner Selbst als Abbild ausser mir! Wer sich damit zufrieden gibt, eine tote Idee, z.B. eines Papierknäuels, die in seiner konditionierten Vorstellung wurzelt, als Kunstprodukt anzuerkennen und damit leben kann, dem seis gegönnt! Mir genügt es nicht. Mich langweilt es. Meine konditionierten Vorstellungen langweilen mich, weil ich mich in ihnen nicht wirklich als Mensch erkenne. Weil sie im Erkenntnisakt lediglich die vielen, unsagbar vielen, Teilaspekte meiner Selbst spiegeln und mir eine Freiheit vorgaukeln, die irrsinnig und absurd ist. Allein, durch diese (Selbst-) Erkenntnis setzen andere Maßstäbe, andere Ansprüche ein, die den Kunstgenuss erfüllen möchten. Es sind Intentionen, die immer mit dem innersten Wesenskern zu tun haben, der durch vielerlei Schichten verdeckt ist. Darin also besteht in erster Linie meine eigene Bemühung: Das Abdecken/Aufdecken dieser eigenen Schichten durch die Kunst, durch die künstlerische Betätigung. Aus diesem Wunsch heraus leiten sich alle Schritte und Kompetenzen ab, die Kunst für mich zur Kunst machen. Und dadurch ist auch Heilung im künstlerischen Prozess mit eingeschlossen! Der wahre, tiefere Kern einer Kunsttherapie! Leider ist an den gegenwärtigen Kunstschulen wenig davon zu finden. Und auch in den meisten Kreisen der gegenwärtigen Kunst Szene. Es ist zu hoffen, dass sich die Abgründe des Subjektivismus allmählich wieder zu schliessen beginnen und eine Selbsterkenntnis in diesem erweiterten Sinn wieder Fuss fast, um die Kunst wieder dorthin zu bringen, wo sie hingehört, zu einer, im umfassendsten Sinn, spirituellen Tätigkeit.

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und ein KinderbuchUrsli und der Traum vom Schiff

Der Beitrag als Audio-Datei: Ist alles Kunst?

Intuition und Selbstbeobachtung

BildnisIm Alltagsdenken erfahre ich mich als an den sinnlich wahrnehmbaren Objekten der Welt sich orientierendes Wesen. Ich erlebe dieses Denken als getrennt von der Aussenwelt, im Inneren sich vollziehende Tätigkeit. Solange ich mein orientiert sein nur danach ausrichte, entsteht alles, was aus einer solchen Trennung geschehen muss: Zweifel, Zwist und Schmerz. Das subjektive Erleben schliesst mich von meiner Aussenwelt ab und lässt nur noch Hoffnung auf ein adäquates Erleben mit dieser Aussenwelt zu. Die Realität wird aber mehrheitlich das Trennende bleiben, weil sich meine eigenen Vorstellungen dieser Aussenwelt entgegenstellen.

Das Bemühen jeder inneren Entwicklung muss sich danach ausrichten, den Schmerz und damit alles Trennende zu überwinden. Solange sich das Denken immer wieder selbstzweifelnd an der blossen Wahrnehmung orientiert, werden sich keine Einheitserfahrungen einstellen und ich werde eine solche Einheit mit Vehemenz bestreiten!

Die Brücke zu einer neuen Erkenntnis liegt in der Überwindung des subjektgebundenen Denkens. Das ist auch jene Ebene, die von den meisten spirituell orientierten Menschen immer wieder (und wohl zu Recht) kritisiert wird. Das Erleben der Denktätigkeit in einem abgeschlossenen persönlichen Innenraum behindert die Erfahrung anderer Erkenntnisräume. Ein solcher Raum wird dann erschlossen, wenn wir uns den Wahrnehmungen und Erlebnissen gegenüber aufschliessen können. Dafür brauchen wir aber einen „neuen Blick“, welcher sich aus der Anschauung heraus den Rätseln der Welt gegenüberstellt. Was heisst das? Dies kann man besonders in künstlerischen Prozessen erleben.

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Wenn ich eine Skulptur betrachte kommen mir bestimmte Wahrnehmungen entgegen. Ich sehe – als profaner Mensch – zunächst alles, was mit dem Material zusammenhängt. Ich sehe, dass es sich z.B. um einen Granit handelt, und ich sehe z.B. solche Dinge wie die rau behauene Oberfläche. Ich entdecke Verästelungen und Maserungen im Stein und finde sie vielleicht noch „schön“. Ich sehe die Farbe und sonst noch einige Attribute, deren Begriffe mir aus meinem Alltag bekannt sind und ich bin froh darüber „alles wieder zu erkennen“! Damit habe ich mir einen Sinn für das Kunstwerk erschaffen,  der mich erfüllt.

Das sind alles Wahrnehmungen, die diesen Charakter haben: Ein Objekt stellt sich mir gegenüber (im aussen) und ich habe einen entsprechenden Begriff dafür, den ich ihm entgegenstelle (im inneren). Damit geben sich die meisten Menschen leider zufrieden. Und am Schluss, wenn sie die Kunst-Ausstellung verlassen haben und man sie fragt, wie ihnen die Skulpturen gefallen haben, mühen sie sich mit ein paar belanglosen, oberflächlichen Floskeln ab. Dies widerspiegelt ein trennendes, materiell gebundenes Denken und Beobachten, welches sich stark an den bekannten Begriffen festhält. Die Begriffe aber sind Produkte der eigenen Biografie und einer Erlebniswelt, die ich mir in vielen Jahren oder Jahrzehnten gebildet habe.

Ein anderes ist es, wenn wir auf die Skulpturen eingehen. Dazu müssen wir zunächst alle Begriffe die wir kennen hinter uns lassen und ihnen eine offene Haltung entgegenbringen. Die Formen der Welt stellen sich uns aus dieser inneren Haltung heraus bald wesenhaft gegenüber. Hier liegt der Schlüssel einer neuen Erfahrung, die erkannt werden muss. Wir erkennen z.B die Gesten in den Formen. Wir erkennen vielleicht eine aufrichtende Kraft oder entdecken etwas Schwerfälliges in ihr.

Die Form beginnt „mit uns zu sprechen“, sie wird lebendig und bekommt einen wesenhaften Charakter. Daraus ergeben sich vielleicht Aufschlüsse eines Typus, welcher sich auch in anderen Formen wieder finden lässt und welcher eine neue Qualität erschliesst. Diese lässt sich physisch-sinnlich nicht mehr festmachen. Die Begrifflichkeit verwandelt sich in etwas organisch-bewegliches und entfernt sich vom persönlich-subjektiven Standpunkt. Diese Art der Anschauung eröffnet erst einen „neuen Blick“ und neue Erkenntnisfelder. Subjekt und Objekt verschmelzen in unserer „anschauenden Urteilskraft“, die auch als Intuition bezeichnet wird.

Die Form der Anschauung bestimmt den Inhalt der Erfahrung. Es gibt für die Intuition kein innen und aussen mehr, so, wie es für das profane intellektuelle Denken gilt. In der intuitiven Urteilskraft, die zugleich eine „anschauende“  ist, fliessen Innenwelt und Aussenwelt in eins zusammen. Und hier befinde ich mich erst auf einer Ebene, die mir das Erlebnis nahe bringt, dass ich einen Gedankenraum erfahre, der sozusagen als Substanz um mich herum lebt. Sie ist für mich in der Kunst sehr real erfahrbar.

Sobald nun aber der „Gegenstand“ der Betrachtung wir selbst sind, wir also diese anschauende Urteilskraft auf uns selbst richten, fällt das Objekt und das Subjekt zusammen! Diese Form der Intuition könnten wir auch Selbstbeobachtung nennen oder eben Selbst-Reflexion. Dabei lösen wir aber das persönliche Individuum aus seiner Umgebung und erkennen in Geste, Haltung, Tätigkeit oder jeglicher Form des Ausdrucks die spezifische Individualität. Sie ist nun aber nicht wieder einem übergeordneten Typus zuzuordnen, sondern ist Typus an sich, eine Gattung für sich.

In der kleinen Schrift: „Grundlinien einer Erkenntnistheorie der goetheschen Weltanschauung“ schreibt R. Steiner folgendes zum psychologischen Erkennen, beziehungsweise zu einer wissenschaftlichen Methode der psychologischen Erkenntnis: „Was Intuition ist wird hier (in der psychologischen Methode) Selbstbetrachtung. Das ist bei der höchsten Form des Daseins sachlich auch notwendig. Das, was der Geist aus den Erscheinungen herauslesen kann, ist die höchste Form des Inhaltes, den er überhaupt gewinnen kann. Reflektiert er dann auf sich selbst, so muss er sich als die unmittelbare Manifestation dieser höchsten Form, als den Träger derselben selbst erkennen. Was der Geist als Einheit in der vielgestaltigen Wirklichkeit findet (im Betrachten der organischen Natur) das muss er in seiner Einzelheit als unmittelbares Dasein finden. Was er der Besonderheit als Allgemeines gegenüberstellt, das muss er seinem Individuum als dessen Wesen selbst zuerkennen. Man sieht, dass man eine wahrhafte Psychologie nur gewinnen kann, wenn man auf die Beschaffenheit des Geistes als eines Tätigen eingeht…“ Und weiter: „…man hat in unserer Zeit (er schreibt dies 1885!) an die Stelle dieser Methode eine andere setzen wollen, welche die Erscheinungen, in denen sich der Geist darlebt, nicht diesen selbst, zum Gegenstande der Psychologie macht. Man glaubt, die einzelnen Äusserungen desselben ebenso in einen äusserlichen Zusammenhang bringen zu können, wie das bei den unorganischen Naturtatsachen geschieht. So will man eine „Seelenlehre ohne Seele“ begründen. Aus unseren Betrachtungen ergibt sich, dass man bei dieser Methode gerade das aus den Augen verliert, auf das es ankommt. Man sollte den Geist von seinen Äusserungen loslösen und auf ihn als Produzenten derselben zurückgehen. Man beschränkt sich auf die ersteren (die Äusserungen) und vergisst den letzteren (Produzenten). Man hat sich eben auch hier zu jenem… Standpunkte verleiten lassen, der die Methoden der Mechanik, Physik usw. auf alle Wissenschaften anwenden will.“

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und ein Kinderbuch „Ursli und der Traum vom Schiff

Der Beitrag als Audiodatei: Intuition und Selbstbeobachtung

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