Der Apfel fällt nicht weit vom Leben

ApfelDas menschliche Leben beginnt zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Nämlich dann, wenn es vom Ursprung getrennt wird! Das ist sehr eigenartig und eigentlich traurig! Wenn sich jemand etwas anderes wünschen könnte, so möchte er oder sie doch den Zusammenhang mit dem Ursprung behalten! Mit dem Schnitt in die Nabelschnur versiegt jedoch jede Hoffnung auf diesen Zusammenhang.

So verbunden waren wir eine Einheit mit dem Leib der Mutter. Eine Art „Samenkorn“, genannt Embryo, welches von einer Kraft genährt wird, die wir schlicht „Leben“ nennen und von der die Wissenschaft etwa so viel weiß, wie der Regenwurm vom Mond oder von der Sonne. Er sieht das Licht zwar, aber es bleibt für ihn ein undurchdringbares Mysterium.

Wenn der Apfel vom Baum fällt, dann erst beginnt sein eigentliches „individuelles“ Leben! Solange er noch mit dem Ast verbunden ist, wird er noch von den Kräften des Baumes genährt. Vergleichbar dazu könnte man sagen, dass auch der Mensch, so wie der Apfel, erst dann seinen „individuellen“ Weg beginnt, wenn er von der Nabelschnur getrennt wird. Auch in ihm ist der Same für seine Nachkommen, so wie im Apfel die Kerne sind. Aber ist der Apfel vom Baum gefallen, beginnt genauso seine Todesreise! Denn jetzt geht es nur noch in eine Richtung. Er reift, so wie der Mensch in den ersten 15-20 Jahren, zwar noch ein wenig nach und erreicht seinen höchsten Glanz und seine Süsse. Aber danach?

Das kollektive Ego hat jeglichen Zusammenhang mit dem Tod vergessen. Es benimmt sich so, als wenn er nicht existieren würde. Niemand will daran denken. Keiner will älter aussehen als er ist, sondern jünger. Es werden riesige Summen und Leiden auf sich genommen, um all dem zu entrinnen, was mit dem Apfel bald einmal passiert: Er schrumpelt vor sich hin und (ver-)schwindet schließlich. Kein Apfel wird dem entweichen können. Und ebenso wenig der Mensch und jedes andere Lebewesen. Leben in der Formidentität ist und bleibt begrenzt. Aber keiner will es wissen. Die Vorstellung wird in die ferne Zukunft verschoben. Die alten Menschen werden hinter dicken Mauern versteckt. Viele Menschen sehen sie nicht gerne, weil sie ein Spiegel dessen sind, was auf uns alle eines Tages mit Sicherheit zukommen wird…

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Hier der erste Versuch, die Artikel in Hörform zu präsentieren:

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Veröffentlicht von

weth

1956 in der Schweiz geboren; Autor, Bildhauer, Werklehrer, Architekt und früher einmal Hochbauzeichner und Maurer...

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