Woher kommen künstlerische Ideen?

IdeenSeit langer Zeit beschäftige ich mich mit Themen des menschlichen Bewusstseins. Als Kunstschaffender und Kunsttherapeut bin ich gleichzeitig immer wieder mit der Frage konfrontiert, wie Urteile und Impulse in der Kunst entstehen, und woher der Künstler seine „Ideen“ bezieht. Damit meine ich natürlich nicht das Internet oder irgendwelche Bücher, die er nachschlägt, wenn er keine Einfälle mehr hat.

„Ideen“ entstehen natürlich vorzugsweise im Kopf eines Künstlers. Sie äussern sich als „Einfall“, Assoziationen oder zuweilen auch als Vorstellungs-Konstrukte. Es sind innere Wahrnehmungsbilder, welche Ideen (und Ideale) schaffen. Diese sind meistens Produkte der persönlichen Wahrnehmung der Welt. Und die Wahrnehmung der Welt nimmt ihrerseits Bezug darauf, wie die Welt um sich herum erlebt wird! Es sind nicht die (versteckten, vermeintlichen) Vorzüge anderer Künstler, die man als ehrlicher Kunstschaffender nachzuahmen sucht, auch wenn sie zu den grossen Werken der Weltgeschichte inspirierten.

De facto geht es immer um Erlebnisse

Die Crux bei der Sache ist immer wieder dieselbe Frage; jene nach der inneren Freiheit und danach: „Wie frei ist der Kunstschaffende und im Prinzip jeder Mensch, wenn er „nur“ erlebt (…und dann daraus seine Werke oder seine Taten schöpft) ?“ Gewiss: mann/frau muss ja nicht zwingend den Anspruch haben, in der Kunst frei zu werden. Viele denken gar nicht über diese Frage nach oder es ist ihnen vollkommen egal, wie es sich damit verhält. Meine persönliche Intention ist es auf jeden Fall! Das Gefühl von Freiheit unterscheidet sich von der Realität, die viele allerdings kaum wahr nehmen.

Andere Kunstschaffende behaupten deshalb, sie schaffen selbstverständlich aus „freien Stücken“, sie sind ja „Frei-Schaffende“ Künstler! Viele erkennen dabei nicht, woher die Impulse ihres Schaffens wirklich kommen. „Gesellschafts-konform“ sind in ihrem Sinne die Werke dann, wenn sie von dieser begehrt und geachtet werden. Mit anderen Worten: Wenn sie sich verkaufen lassen. Kunst als blosser Job, um mit den Ideen und Vorstellungen, Geld zu verdienen. Hier liegt der berühmte „Hase im Pfeffer“.

Gibt es dennoch eine tiefere Ebene, die uns als Kunstschaffende bewegen könnte?

Ich meine: Ja! Würde ich mit meinem Bewusstsein so tief eindringen können, dass ich quasi über die Ebene des blossen, alltäglichen Denkens/Vorstellens, woraus in der Regel unsere Ideen genährt werden, hinauskommen, dann würde ich erkennen, woher „meine“ (vermeintlichen) Gedanken (und damit auch die Ideen) kommen und welchen Motiven sie entspringen. Ein solcher Anspruch darf sich niemals nach den äußeren Kriterien der Gesellschaft und der Wirtschaftlichkeit richten, sondern nur nach den inneren Gesetzen des auf diese Weise erlebten. Der äussere Erfolg darf diese Ebene nicht verdecken. Es darf keine „künstlerische Genügsamkeit“ entstehen.

Der Anspruch in die Tiefe zu dringen ist gegenwärtig nicht so vielen Künstlern eigen, wie man es in der Vergangenheit vielleicht noch eher erleben konnte. Leider, muss man sagen, wird diese Genügsamkeit des Erfolgs einhergehen mit zunehmender Dekadenz. Denn die Kunst wird gefärbt von den Ideen der Menschen. Und die Ideen der Menschen richten sich nach den Idealen einer Gesellschaft, nicht mehr nach dem Individuum. Man kann durchaus Verständnis haben für die oft desolate Situation in Sachen Finanzen vieler Künstler. Man müsste über den Schatten der äußeren Verpflichtungen springen können, und über sein Tun und Schaffen nachdenken . Vielmehr geht es in die andere Richtung. Man verweigert oft das Denken im höheren Sinn! Das ist insofern noch schlimmer, weil es eine Illusion ist, denn man verweigert damit eigentlich nicht das Denken, sondern die Bewusstmachung der eigenen Gedanken und das ist ein grosser Unterschied! Was daraus entsteht, ist unübersehbar.

Zum Denken anregen…

Oft wird das Nicht-Denken mit der Intuition verwechselt. Aber mit Intuition hat das leidlich wenig zu tun, denn diese liegt nicht unterhalb des Denkens, sondern darüber! Das heisst, sie schöpft zwar aus dem Gedankenleben, erhebt dieses aber ins volle Bewusstsein. Urteile sind in der Kunst üblich, trotz all diesen Parolen von: „Alles ist Kunst“ usw. „Dein Bild stimmt nicht in der Komposition“, heisst es zum Beispiel, „es hat zuviel Schwere, zieht nach unten, fliesst aus, hat kein Zentrum“ usw. Sind diese Urteile objektiv, oder haben sie oft mehr mit dem Betrachter zu tun, als mit dem Künstler? Haben sie den Anspruch der Allgemeingültigkeit? Und woher kommen sie? Das sind die Fragen, die sich jeder Urteilende stellen muss, der sie fällt. Denn nicht immer ist es so leicht zu unterscheiden, was mit mir, dem Urteilenden, zu tun hat, und was das Werk in Wirklichkeit betrifft, das ich beurteile (oder verurteile) . Gibt es überhaupt solche Urteile und wenn ja, woher kommen sie: das ist eine schwierige und zugleich spannende Frage… sie „soll vorerst zum Nachdenken anregen“…;-), was ja oft das alles schlagende Argument ist von vielen Künstlern für ihre skurrilen Objekte.

PS: Mein Bestreben gilt grundsätzlich nicht der Durchsetzung meiner eigenen Ideen, sondern dem wach werden für die zentralen Fragen des Lebens. Und zu denen rechne ich jene nach der Freiheit (auch in der Kunst) definitiv mit…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… – Einblicke in die Kunsttherapie… ein Resume nach 25 Jahren…

Woher kommen eigentlich unsere Urteile?

UrteilZiel jeder persönlichen Entwicklung ist wohl fast für jeden Menschen die Erlangung einer größtmöglichen Freiheit.
Dass diese Freiheit zunächst vorwiegend aus egoistischen Bedürfnissen jedes einzelnen besteht, mag nachdenklich stimmen, kommt aber für mündige Mitdenker nicht wirklich überraschend daher. Tiefer gemeinte Freiheit bedingt ein Wissen über unsere eigenen Intentionen und Handlungen. Denn nur aus der Bewusstwerdung der eigenen Motive kann ich erst anfangen davon zu sprechen, frei zu werden.

Diese Art Freiheit umfasst nicht nur die Umwelt, die so zu sein hat, wie ich meine, dass sie sein müsste, um mein eigenes Leben zu optimieren. Sie umfasst mich selber mit. Sie umfasst mich und meine Motive im Bezug auf die Welt.

Das Bewusstwerden dieser Ebene bedingt eine tiefere Erkenntnis. Der Standpunkt wird sozusagen aus der eigenen Persönlichkeit ausgelagert. Das ist nicht der Normalzustand unseres Bewusstseins. Das normale Vermögen von Wachheit reicht nicht über die Persönlichkeit hinaus. Deshalb fällen wir unsere Urteile in der Regel nur nach den Kriterien dieser Ebene. Sie sind gefärbt durch unsere Erlebnisse und Erfahrungen. Diese sammeln sich im Laufe der Jahre um einen unsichtbaren Kern. Es ist dies sozusagen die reine Essenz unserer Individualität. Sie wird bei jedem Neugeborenen bereits wahrgenommen. Schaut das kleine Kind durch seine Augen in die Welt, dann erblickt es diese noch rein.

Wenn wir durch die Straßen gehen und die Dinge durch unsere Augen sehen, dann erscheinen sie uns nicht mehr so, wie sie wirklich sind, sondern getrübt. Es schieben sich sozusagen Filter dazwischen. So werden unsere Urteile gefärbt. Das kleine Kind, welches noch keine solchen Filter hat, sieht die Dinge wohl reiner, kann sie aber intellektuell nicht verarbeiten. Das lernt es erst später, wenn sich der Verstand einschaltet. Und dass sich dieser Verstand einschaltet, macht auch durchaus Sinn. Dadurch erfahren wir die Welt bewusster und können sie mitgestalten. Wir sammeln Erfahrungen und gewinnen Sicherheit. Wir verwerten die Dinge und bringen unsere Talente ein. Daran ist nichts zu meckern.

Es ist der Sinn unserer Existenz, Werte zu schaffen, die unserem persönlichen Vermögen entsprechen. Warum also sollten wir daran etwas ändern? Warum sollten Urteile etwas schlechtes sein? Sie werden erst dann problematisch, wenn sie uns entführen und uns von unserem wahren Kern entfremden. Und das tun sie dann, wenn sie einfrieren. Wenn die geistige Beweglichkeit und Offenheit beeinträchtigt wird. Und dies geschieht immer dann, wenn wir die dahinter liegenden Motive vergessen: Den Urgrund jener Erkenntnis, die zum Urteil führten. Die Verbindung mit diesem Urgrund muss erhalten bleiben. Tut sie es nicht, verselbständigt sich das Urteil sozusagen. Unser Bewusstsein verschmilzt damit, verhaftet sich damit. In diesem Akt liegt die Entfremdung und die Abspaltung von unserem Kern. Von den Moment an ist es aus mit der Freiheit, weil wir die Intentionen der Handlung nicht mehr im Griff haben und daher nicht mehr begreifen.

Urteile müssen ja nicht zwingend negativ sein. Sie können auch sehr positiv sein. Wir können soziale und loyale, menschenfreundliche Urteile haben. Wir können aber ebenso gut von irgend etwas besessen sein. Von einem religiösen Glauben zum Beispiel oder einem Guru. Oder von irgendwelchen bösen Menschen, die wir umbringen müssen, damit die Welt besser wird usw. Der Inhalt des Urteils ist also nicht das Problem der Freiheit, sondern die Selbstvergessenheit im Sinne einer Abspaltung vom individuellen Kern. Der Verlust eines tieferen Bewusstseins, welches durch Dogmen und Konventionen zugepflastert ist, verfestigt uns in einer abgespaltenen Persönlichkeit, die wiederum aus vielen Teilpersönlichkeiten besteht. Darin verwirrt sich unser Geist, was letztlich die Folge jeder psychischen Störung ist.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft?

RSS
Follow by Email
LinkedIn
Share
%d Bloggern gefällt das: