Warum ich schreibe…

Die Gedanken, die hier als Beiträge und Aufsätze veröffentlicht werden, sind aus dem Lebensalltag meiner künstlerischen und kunsttherapeutischen Arbeit heraus entstanden. Auch wenn sie nicht immer, oder für manche sogar selten, einen konkreten Bezug zu Kunst und Kunsttherapie aufzeigen, so gewiss doch ist der Zusammenhang gegeben. Es sind gewissermassen „Abfallprodukte“ meiner therapeutischen Tätigkeit. Dies soll nicht despektierlich gemeint sein. Vielmehr sammeln sie sich, ähnlich wie der Abfall des scheinbar „wertvollen“ Inhalts, am Rande des persönlichen oder gesellschaftlichen Lebens an. Abfall ist etwas, was „abgefallen“ ist vom „normalen“ Leben, ausgesondert. Aus dem Zusammenhang gerissen, dramatisiert es die Verhältnisse, weckt aber gleichzeitig auf, schafft Bewusstsein. Das Pathologische unterzieht sich so einem Heilungsprozess.

Durch Fragen, wie sie in der Auseinandersetzung mit den Menschen, die ich bisher begleiten durfte, sich stellten, weckte sich das (Selbst-) Bewusstsein. Gleichsam am Ursprung ihrer Ängste, Sorgen, Nöte und Probleme, den Lebenssituationen, die sie schaffen, der Tragik ihres Lebens überhaupt und dem sich entgegenstellen, aufrichten, auseinandersetzen; am Rande dieses Wirkens geschieht Heilung. Eine in dieser Weise „abfallende“ Kraft, die sich Raum verschafft und etwas anderes weckt: „Aufrichtende“ Kräfte schöpfend… der Wille zur Tat, zur Wandlungsbereitschaft bildend. Hieraus entsteht Dynamik. Das Schöpferische im kreativen Element wird geweckt. Es „ent – wickelt“ sich.

Gerade in der Kunst – und einer darauf gründenden Therapie – sind die Fragen „am Rande“ des „normalen“ sehr wichtig und ernst aufzufassen. Sie zeigen sich in jedem Werk als Gestaltungswille. Als Stagnation zunächst, als Blockade, als Stauung, als Täuschung, Phantastik usw. Deren Verwandlung im Brennpunkt des ICH ist etwas heiliges/heilendes. Es steht zentral im (Reifungs-) Prozess, gleichsam als Heiler selbst.

Nicht die Fragen nach Regeln, Konzepten, Informationen und der ganze Wissensballast, stimmen mich in dieses seltsame Geheimnis „Mensch“ ein, entschlüsseln es, deuten es, enthüllen es, sondern allein die Fähigkeit der Selbsterkenntnis und Selbstbeobachtung.
In diesem Kontext möchten meine Beiträge verstanden werden. Ich plädiere nicht auf „meins ist richtig – versteht das doch und begreift“, sondern auf empathisches Mitfühlen, Mitfragen und Mitgehen. Was daraus entsteht, kann wiederum schöpferisch (zurück-) wirken. Dies soll hier immer am Anfang stehen. Alles hat mit Allem zu tun. Insofern gibt es gar keinen „Abfall“… das versteht sich von selbst…

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Nun kommt der Heiden Heiland

Christian Steyer und der Solistenchor Berlin mit einer wunderbaren Version von „Nun kommt der Heiden Heiland“

Eine Selbstverwirklichungsgeschichte

selbstverwirklichung* Sie entwickelte sich zunehmend weg von ihrem Ehemann und Vater ihrer Tochter. Und so kam es schließlich zur Trennung. Sie meinte, er stehe ihrer Selbstverwirklichung im Weg. Der Vater bemühte sich sehr um sie, respektierte die Entscheidung und setze sich schließlich für ein gütliches Auseinandergehen einEr wollte seine Tochter regelmäßig sehen, wollte  das Kind nicht Opfer der Streitigkeiten und der Trennung werden lassen.

Die Frau lernte viel auf ihrem spirituellen Weg. Bald schon liebte sie die ganze Welt und alle Menschen in ihrer Umgebung – außer ihren Ex…
Osama Bin Laden, Adolf Hitler, Saddam Hussein … kurz alle Menschen inklusive der Bösewichte der Weltgeschichte: allen konnte sie verzeihen. Ihre Liebe wurde sozusagen global und umfasste den ganzen Kosmos – außer ihren Ex…

Gut, sie musste zugeben, wenn ihr jemand zu nahe kam, dann war es mit dieser allumfassenden Liebe schnell wieder vorbei. Sie war empfindlich, wenn man sie in ihrem Weg kritisierte und konterte trocken und hart. Dabei teilte sie auch ziemliche Brocken aus. Aber sonst…?
Und, zugegeben, ihre Tochter hatte anfangs gelitten unter dem vaterlosen Zustand. Aber das hat sich mit der Zeit sehr gut eingespielt. Denn die Mutter versuchte, das Bild des Vaters so zu bearbeiten, dass die Tochter ihren Papa bald vergessen konnte, alles zu deren persönlichem Schutz natürlich.

So vergingen die Jahre, und wenn der Ex auch sehr darunter litt, so rechtfertigte sie sich immer mit den gleichen Schlagworten: er verstand sie nicht, war aggressiv und ohne jede Empathie. Kurz: halt typisch männlich… Mittlerweile hatte sie gelernt, dieses Geschlecht schlicht als das anzuschauen, was es war: als Erzeuger… Sie hatte schon vor der Ehe klar kommuniziert, dass sie diese Heirat nur unter der Voraussetzung eingehen würde, dass sie ein Kind bekäme! Sie wolle unbedingt ein Kind, beteuerte sie nachhaltig und unmissverständlich. Und das hat sie dann auch bekommen. Der Mann wurde ihr immer mehr zur Last. Er war ja nie da, wenn man ihn brauchte und von Erziehung verstand er ja nun schon gar nichts! Dass diese Haltung die Partnerschaft nicht eben stärkte und die gegenseitige Wertschätzung erlosch, ergab sich bald von selbst.

Dies endete schließlich mit der Trennung und wie es in 90 Prozent all dieser Fälle halt so ist, war auch hier ganz klar der Mann schuldig am ganzen Desaster. Die Frau erhielt das Sorgerecht, der Mann die rote Karte. Er sah seine Tochter anfangs alle 14 Tage. Das tat der Tochter aber gar nicht gut, wie die Mutter meinte. Sie brauchte immer die ganze Zeit, um sich wieder vom Besuch zu erholen… worauf die Richterin schließlich eine Besuchspause von einem Jahr beschloss. In dieser Zeit erfolgte die besagte Hirnwäsche der Mutter (zum Wohl der Tochter natürlich).
Dies half tatsächlich nachhaltig, den bösen Papa zu vergessen und stigmatisierte das Männerbild der Tochter für ihr ganzes weiteres Leben. Keine ihrer eigenen Beziehungen hielt lange. Auch sie wurde eine alleinerziehende, sich selbst verwirklichende Mutter. Und wenn sie nicht gestorben ist, dann lebt sie heute noch – in Frieden mit der ganzen Welt (mit Ausnahme ihres Ex)…

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* Die Geschichte ist frei erfunden. Im Bewusstsein, dass es auch ganz anders laufen kann, wurde hier auf eine nicht ganz aus der Luft gegriffene Variante aus der Sicht des Mannes aufmerksam gemacht…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Selbst-Reflexion, einmal anders betrachtet

SelbstreflexionWenn man den Begriff Selbstreflexion im allgemeinen Kontext hört, kann man sich berechtigterweise die Frage stellen, was das eigentlich bedeutet. In der Psychologie meint es in der Regel dies: Zu beobachten, wie man selbst in bestimmten Situationen reagiert, handelt, wie man fühlt und denkt. Sich selbstkritisch in Frage stellen und die Gedanken, die man äußert, auf ihre Richtigkeit hin überprüfen. Es geht in erster Linie um die Objektivierung eigenen Verhaltens, um richtiges, wahrheitsgetreues Denken und Wahrnehmen. Selbstreflexion in diesem Sinn, findet auf der Ebene der Gedanken statt. „Ist es wirklich richtig, dass ich dieses oder jenes gesagt, getan habe oder tun werde?“ –  „Habe ich diese Mitarbeiterin richtig behandelt, oder war ich zu streng mit ihr?“ – „War es falsch, dass ich mich aus der Gruppe zurückgezogen habe?“ u.s.w. u.s.f.  Selbst-Reflexion, einmal anders betrachtet weiterlesen

Gespräch eines Frosches mit sich selbst

FroschFrosch: Ziel der Entwicklung jedes Frosches ist es doch, an den einen und gleichen Frosch-Punkt heran zu kommen, dem höheren Frosch-Bewusstsein sozusagen. Jeder Frosch entwickelt sich nach seinen individuellen Möglichkeiten und Anlagen auf dieses Ziel hin!

Des Frosches “Es“: Ach Quaktscht! Genauso gut könnte sich doch jeder Frosch einfach zu seinem eigenen privaten Frosch-Vergnügen hin entwickeln! Warum auf einen Punkt?

Frosch: Was macht es denn für einen Sinn, wenn frosch sich nur zu seinem eigenen Wohle entwickelt?

Es: Ach dieses blöde Geschwätz von der Sinnfrage! Sorry, da werde ich ganz anders. Warum muss denn immer alles einen Sinn haben!?

Frosch: Na ja, sieh es mal so: wäre dein Tun und Gequacke völlig sinnlos, warum entscheidest du dich denn für das eine und gegen das andere? Nimm mal dieses fette Würmchen dort. Es macht doch sehr wohl einen Sinn, danach zu schnappen oder?

Frosch2Es: Flschtttttt… Mampf
…Ja freilich, aber deshalb stelle ich mir doch noch lange keine Sinnfrage vorher! Ich schnappe danach und fertig!

Frosch: Du meinst Naturinstinkt und so…

Es: Genau!

Frosch: Vielleicht gibt es aber doch noch schwierigere Entscheidungen als diese?

Es: Wie meinst du das genau?

Frosch: Na ja, wenn’s ums nackte Überleben geht zum Beispiel… Oder wenn Dinge eintreten, die man lieber anders gehabt hätte.

Es: Du meinst, wenn dir vor der Nase die Beute weggeschnappt wird und solche Sachen…

Frosch3Frosch: So ungefähr ja…

Es: Gut, das ist schon ganz schön hart, das gebe ich zu! Da gilt halt einfach, der stärkere überlebt und das war’s.

Frosch: Mehr hast du dazu nicht zu sagen?

Es: Was soll ich dazu sagen?

Frosch: Scheinbar fällt dir das Leben sehr leicht! Der Sinn besteht in der Nahrungsaufnahme und in Sex und fertig. Darüber hinaus hast du aber vielleicht auch noch höhere Ziele?

Es: ?

Frosch: !

Frosch4Er nahm einen großen Satz und landete knapp neben einer Seerose im seichten Getümpel. Dort schnappte er blitzschnell nach einer fetten Fliege, die es sich auf dem Seerosenblatt gemütlich machen wollte…

Es: (Selbstgenügsam einschlafend) Ach, wie gut es tut, mit klugen Köpfen wie ich selbst über das Leben zu philosophieren…

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Warum dieser Blog kein Renner wird

DatenkosmosEine selbstkritische Betrachtung…
Es gibt sehr viele Blogs, ich gebe es zu, und unendlich viele Informationen und Milliarden von Meinungen und Ansichten im virtuellen Datenkosmos des Internets. So manches ist massentauglich, anderes weniger, dieser Blog ist es sicher nicht! Und warum? Weil die Leute immer genau dort gepickst werden, wo es ihnen am meisten weh tut: bei sich selbst.

Nicht etwa, dass ich auf sie zeigen und ihnen meine Meinung ins Gesicht schleudern möchte, wie es viele andere tun; nein eben nicht! Ich stupse sie immer dort, wo es am meisten weh tut und stelle die ewig gleiche Frage nach den wirklichen inneren Motiven, die jeden/jede von Ihnen antreibt. Diese innersten Motive, die Beweggründe und die Triebfedern zu unserem Tun, denken und fühlen, sind die tiefsten und scheinbar unzugänglichsten und doch „offenbaren Geheimnisse“ unserer Persönlichkeit. Die Frage danach bringt immer das eigene Gewissen auf den Plan. Das ist sehr, sehr unangenehm. Lieber weicht man aus, als dass man sich mit sich selbst anlegen will. Es könnten ja Dinge aufgedeckt werden, die wir lieber gar nie wissen wollen, weil sie an unserer Selbstsicherheit und unserer Selbstgewissheit nagen und das Ego zerstören möchten.

Meine Aufgabe in diesem Blog ist es, penetrant auf diesen Lebens-Hintergrund jedes einzelnen Menschen, mit teilweise unangenehmen Folgen, hinzuweisen. Und warum tu ich das? Warum erzähle ich nicht Gechichten aus meinem eigenen Leben? Unrecht was mir geschehen ist, Unrecht, das auf der Welt passiert; von Kriegen und von den Bösen, die unsere Gesellschaft vernichten wollen, von dem großen Kapital und von den skrupellosen Finanzhaien, die über Leichen gehen, um ihre nie enden wollenden Gewinne einzufahren und damit ihre Macht ausweiten? Warum beklage ich mich nicht über die unseligen Pharma-Riesen, die immer wieder alte (und neue?) Krankheiten neu erfinden – um jeden Preis – weil sie davon (und nur davon) ihre satten Gewinne einfahren. Nebenbei gesagt: Warum sollten sie uns gesund machen wollen, wenn „gesund sein“ heißt, weniger Umsatz zu generieren? Oder ich könnte mich über all die dumpfen Gemüter ärgern, die einfach nicht checken wollen, was auf dieser Welt alles schief läuft und ich könnte sie bekehren wollen, um ihnen mein Rezept (eines von Millionen) zur Verbesserung der Welt zu predigen!

Oder warum schreibe ich nicht von der blöden Kuh am Postschalter, die mich wegen lumpiger 20 Gramm Mehrgewicht des Pakets wieder nach Hause schickte und die bereits bezahlte Frankierung zunichte machte. Oder ich könnte auch von den ätzenden Computererlebnissen erzählen, von dieser elendiglichen, unleidigen Kiste, die mich jeden Tag auf die Palme treibt, weil deren Innereien (die Chips) nicht das tun, was ich gerne möchte, oder zumindest nicht in der Zeit, die ich gerne hätte, um effizienter zu arbeiten und – eben – Zeit zu gewinnen. Zeit, die ich einst glaubte gewinnen zu können dank der hochheiligen digitalen Technikkuh, was aber einem radikalen Selbstbetrug und Denkfehler gleichkam. Verrat! Überall Verrat und Elend! Und dann diese endlose, Tinte saufenden Billigdrucker-Monster mit hochauflösender Technik, die das Schnäppchen zum Horror machen, weil man für das Verbrauchsmaterial bald einen Kredit aufnehmen muss! Nicht zu schweigen von all den Pennern, die mir tagtäglich den Vortritt im Verkehr abschneiden oder dumme Kommentare abgeben…

Sie sehen, es gäbe genug zu jammern. Dies alles wäre zudem ein gefundenes Fressen für die Seele der meisten Leserinnen und Leser, weil sie sich damit identifizieren könnten, weil ihnen vielleicht jeden Tag dasselbe oder ähnliches zustößt und weil die Klage etwas Entlastendes an sich hat. Weil sie dann selbst ihre unerhörten Geschichten weitergeben könnten, um damit so etwas wie Rechtfertigungs-Glücksgefühle aufzubauen. Wie geil ist das, wenn man „verstanden“ wird, wenn ein anderer Mensch das eigene Leid bestätigt und möglicherweise noch anheizt! Oder Sie könnten ihre Vernichtungsalven herunter leiern, um zu zeigen, wie falsch man mit diesen Aussagen doch liegt, wie wenig man doch begriffen habe und wie es „richtig“ zu sein hat. Das Gefecht wäre somit eröffnet. Und das kann große Befriedigung bringen.

Solche Gefühle bediene ich mit diesem Blog in der Tat nicht. Sie wären es, die erst Geld und Aufmerksamkeit bringen würden. Fragen Sie einen Journalisten. Das Gegenteil wird hier angeregt. Das Selbst-Betrachten. Es erfordert kompromisslose Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. Das Motiv hat nie mit Rechtfertigung zu tun: „Aber der oder die sind doch die Schuldigen!?“, sondern mit dem anderen Teil der Geschichte, jenem, der mit mir selbst zu tun hat. Wer dies nicht begreift, der findet das alles möglicherweise bestenfalls laues Zeug. Man kann sich fragen, wozu das Ganze?

Ich bin mir sicher, dass diese Botschaft und die persönliche Arbeit jedes Einzelnen an sich selbst, die Welt massiv verbessern würde! Dass es keine Kriege, keinen Betrug und keine Missgunst, keine Eifersucht und keinen Hochmut mehr geben würde. Dass Aufrichtigkeit, Toleranz und Verständnis diese ewigen Schuldzuweisungen nach und nach ersetzen würden. Dass die sture Beharrlichkeit von religiösen Fanatiker und extremen Gruppierungen, die sich allmählich wieder den mittelalterlichen Praktiken annähert, durch Selbstreflexion ausgemerzt würde, vernichtet würde, in Staub und Asche zerfallen müsste.

Nicht viele wollen dies hören, nicht nur die religiösen Fanatiker nicht, die natürlich zuallerletzt. Aber wie steht es mit Ihnen? Sind Sie bereit? Wie viel Dogmatismus, Tradition, Konvention, wie viele Automatismen und Glaubenssätze (religiöse und materielle) leben noch in Ihnen? Die Fragen sind unangenehm und ich bezweifle, dass sich durch meine bescheidenen Beiträge damit etwas nachhaltig verändern wird, aber ich danke Ihnen von Herzen, dass Sie bis hierher gelesen haben… und vielleicht ein kleines Licht aufgegangen ist…

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Was bleibt, ist Geist…

SpiegelbildKleiner philosophischer Ausflug:
Ein nicht ganz unbedeutender Philosoph behauptete einmal, Meinungen seien generell subjektiv. Alles sei bloß Vorstellung; reale Dinge existierten nur in unserem Kopf. Natürlich muss, gemäß seiner eigenen Theorie, auch dieses Statement subjektiv sein. Was passiert aber, wenn dem tatsächlich so wäre? Eine äusserst knifflige Frage, sagen Sie? Ja, vielleicht…

Wenn es so ist, dass selbst dieser Gedanke subjektiv ist, dann muss (nach der Logik bemessen) der Schluss folgen, dass alles subjektiv ist. Dass es also keine objektive Wahrheit gibt. Dass jeder Mensch, der sich über irgendetwas ausspricht, nur immer seine ganz persönliche, individuelle und private Meinung vertritt. Und wenn dies der Fall ist, dann gibt es selbstverständlich auch keine Freiheit (außer vielleicht einer kleinen beschränken, persönlichen). Denn alles, was ich denke und sage, hängt immer nur von einem Faktor ab: von mir persönlich und von meiner Lebensgeschichte. Niemand kann mir drein reden, niemand kann das Gesagte dementieren, verdammen, kritisieren, verurteilen, denn all die Gegenargumente wären ebenso private Meinung einer Sache, wie die des anderen. In die Quere kommt allerdings der eben geäußerte Gedanke: „Alles ist subjektiv, die Welt ist nur meine Vorstellung“. Denn er selbst wäre demnach die grosse und einzigartige (objektive) Ausnahme!

Scheint logisch, oder?

Jetzt sagt der „gesunde Menschenverstand“ natürlich, nein, wie kommst du auf so einen Quatsch. Selbstverständlich gibt es objektive Tatsachen und Wahrheiten! Und tatsächlich kommt man dabei ganz schön ins Schwitzen, weil dieses blöde „Logik“-Argument immer wieder dazwischen kommt. Wenn die Vöglein nicht mehr singen, dann ist es Nacht, ausser es ist eine Nachtigall oder ein Uhu, ist doch logisch! – Hm, tja, einigermassen. – Wenn du mir eine runter haust, dann haue ich dir auch eine runter, ist doch logisch oder? – Hm, nun ja, nicht wirklich.
Das mit der Logik wird zuweilen schon ganz arg strapaziert. Es ist ein Begriff, wie so vieles andere auch. Ich könnte doch ebenso gut sagen: Ist doch Suppe statt, ist doch logisch, oder? Nicht? Ne, gut, klingt unlogisch…

Fakt ist, wir strapazieren Begriffe oft ganz fürchterlich. Damit alleine sind jedenfalls noch keine logischen Schlüsse gezogen. Also gibt es nun etwas objektiv Gültiges oder nicht? Du selbst bestreitest doch deine Existenz kaum, oder? Ja gut, aber es gab doch auch Philosophen wie George Berkeley oder andere, die behaupteten doch tatsächlich, dass nur das existiert, was ich wahrnehme! Schaue ich weg, existiert es nicht mehr! Mag blöd klingen, war aber seine feste Überzeugung. Und er galt in seiner Zeit etwas. Versuchen Sie es doch einmal. Stellen Sie ein Glas Wasser auf den Tisch! Machen Sie die Augen zu – und beweisen Sie mir mit geschlossenen Augen, dass es noch da ist. Klar, wenn Sie die Augen wieder aufmachen, oder andere Sinne verwenden, aber dann nehmen Sie es ja wieder wahr…

Gut zurück zu der obigen Frage nach den „privaten“ Meinungen. Der ganze Mist, der hier steht und den Sie tatsächlich bis hierher ausgehalten haben, wird entweder nicht verstanden, dann sind meine Gedanken aus der Optik des Nichtverstehers tatsächlich privat. Geh doch zum Teufel mit deinen Philosophien! Arbeite besser etwas vernünftiges, dann bringst du es auch zu was… oder sie werden verstanden und dies sogar zustimmend! WOW. Das wäre (fast) schon der Beweis, dass meine Meinung doch nicht so ganz „privat“ ist! Und dass es so etwas gibt, ein kleines Fünklein von etwas Verbindendem! Oder es entsteht eine andere Meinung darüber. Bei Ihnen vielleicht, lieber Leser, liebe Leserin? Das könnte darauf hinweisen, dass ich falsch denke und Sie richtig! Ist auch eine Möglichkeit! Wie denken Sie darüber? Lassen Sie es mich wissen! Was ist falsch daran? Könnte ich es wohl verstehen, wenn ich „richtig“ denken könnte, so wie Sie?

Ehrlich gesagt, gefällt mir der zweite Gedanke ganz ausserordentlich, der mit dem Verstandenwerden! Stellen Sie sich vor, Sie werden von irgend jemandem verstanden! Egal ob der aus Japan kommt, ob er ein Yankee ist oder ein Muslime, ein Christ oder ein Buddhist. Ist doch ein ganz tolles Gefühl! Das Gefühl, verstanden zu werden! Etwas klitze kleines weist also über mich persönlich hinaus (und über Sie natürlich auch!), etwas, was so ganz „privat“ zu sein schien, findet plötzlich Anklang bei anderen, vielleicht sogar bei Andersdenkenden, bei der SVP oder SP (je nach persönlichen Standpunkt). Ist doch grossartig!

Worauf will ich damit hinaus? Im Prinzip bin ich immer noch daran, meine ganz private Meinung zu äussern, aber es könnte sein, dass Sie es verstehen und dann wäre ein Tatbestand gesichert: der Geist! Etwas Geistiges (zunächst ist auch das natürlich nur ein Begriff, an dem Sie sich vielleicht die Zähne ausbeissen), etwas Geistiges überhebt sich dem Alltäglichen in uns und schafft zum Beispiel Verbindungen zwischen Ihnen und mir! Geistige Fäden, unsichtbare Verbindungen (die kaum etwas mit digitaler Daten-Übertragung im technischen Sinne zu tun haben), die nicht nur an meinem kleinen persönlichen ich hängen bleiben, sondern einen bleibenden Wert haben, für mich und für Sie!

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

Die Welt ist meine Vorstellung

Schopenhauer„Die Welt ist meine Vorstellung“. Das ist im Grunde das Credo des Ego im Menschen. Von diesem Standpunkt aus betrachtet, hatte der Philosoph Schopenhauer wohl recht.

Gerade in diesen Tagen, um Weihnachten und Silvester/Neujahr, treffen sich, wie alle Jahre wieder, die Familienmitglieder, Bekannten und Anverwandten zum grossen Fest, zum gemeinsamen Essen und zum geselligem Zusammensein. Nicht selten sitzen die engsten Vertrauten – denen wir dem Blute nach doch so nahe stehen – mit einem Gläschen Wein und Knabbernüsschen um einen grossen Tisch und geben ihre Standpunkte zu allen möglichen Themen zum Besten. In diesen Tagen erfahren wir ausserordentlich viel von der Art, dem Charakter und der Denkweise unserer Nächsten und stellen oft erschreckt fest, wie fern sie uns doch eigentlich sind.

Wahrnehmung und Denken

Sie sehen irgendein Objekt in der Welt, eine Situation, Menschen, Erlebnisse, irgend etwas halt. In der unten stehenden Skizze ist dies als Kreis im Zentrum dargestellt, wenn der Gegenstand real und ungefiltert betrachtet werden könnte. Durch die innere Verarbeitung verändert sich dieses „Objekt“ zu einem „Subjekt“: Es entstehen veränderte, modifizierte Bilder, Vorstellungen, Anschauungen, die mit dem wahrgenommenen Objekte nicht mehr viel zu tun haben, symbolisch dargestellt als Quadrat, Dreieck, Rhombus etc. (…in Vertretung dieser Modifikationen, die im Grunde fast bei jedem Menschen etwas anders auftreten – siehe Skizze unten).

Wir nehmen die Welt durch unsere Augen, Ohren, Hände, Füße, durch die Nase und womöglich andere weitere, für uns versteckte, Sinne wahr. Auf der einen Seite der Wahrnehmung stehen die realen Objekte da draussen. Es können aber ebenso gut Erlebnisse oder Inhalte sein, die wir durch die Sinne „in unser Inneres transportieren“. Hier aber geht danach die Post ab. Was in der Außenwelt unanfechtbar und unverrückbar, eingebettet in Raum und Zeit, vorhanden war (oder ist), verändert sich durch den Filter dieser Sinne in unserem Gehirn schlagartig. Aus (metaphorischen) „Kreisen“ werden (metaphorische) „Quadrate“, Dreiecke, Rhomben oder andere Schlingschlangformen*. Der eine sieht die Welterscheinungen so und der andere anders, thats it. So ist es halt. Nun treffen all die Vierecke und Schlingschlangformen, die eigentlich ein Kreis sind, aufeinander. Was passiert? Sie werden verteidigt bis aufs Blut, weil wir aus diesem Blickwinkel heraus bezüglich Unanfechtbarkeit und Richtigkeit unserer Wahrnehmungen keine Zweifel haben. Wir neigen kaum dazu, die eigenen Schlussfolgerungen anzuzweifeln. Zumindest oft erst gegen extreme Widerstände oder einschneidende Erlebnisse, die uns etwas – „verrücken“. Dann konvertieren wir vielleicht bestenfalls vom Quadrat zum Dreieck, oder vom Rhombus zur Schlingschlangform… was schon einem riesigen Fortschritt gleichkommt…

Anyway, in jedem von uns steckt ein Quäntchen dieser Art von Egoismus, auch wenn wir glauben hoch spirituelle Menschen zu sein. Was wir erfahren haben und was uns zugefallen ist, halten wir nur zu gerne für die objektive Tatsache der Welterscheinungen.
Das ist diesen Tatsachen recht egal. Problematisch wird es erst, wenn „Subjekte“, sprich Egos aufeinander treffen. Nicht selten führen Diskussionen dieser Art eher zu noch mehr Distanz als zuvor. Unverständnis für die Sichtweise des anderen tritt ein – und es wird fortan eher geschwiegen, als dass man sich darauf wirklich einlässt. Die Zweifel ob es so etwas wie Konsens, Einklang, Eins-Sein überhaupt gibt aus dieser Warte heraus betrachtet – die ja oft der Haltung unseres unreflektierten Autopiloten entspricht – sind mehr als berechtigt. Das Potenzial dazu liegt wenn überhaupt irgendwo, einzig und allein in unserem Denken. Nur auf dieser Ebene vermögen wir uns überhaupt erst zu verbinden mit dem Inneren eines anderen Menschen! Da jedoch unsere Wahrnehmungen sozusagen an der Peripherie eines alles durchdringenden Gefäßes sind, vermögen wir dieses Werkzeug nicht ungefiltert anzuwenden. Würden diese Filter wegfallen, so gäbe es keine Schranken mehr, das Resultat wäre uneingeschränkter Einklang!

Zwei Ebenen der Wahrnehmung

In der unten stehenden Skizze versuchte ich darzustellen, was oben ausgeführt wurde. Vielleicht wird mein Gedankengang so deutlicher und anschaulicher. Ich gehe davon aus, dass es zwei Ebenen der Wahrnehmung gibt. Die eine ist die sogenannte „Wirklichkeit“, das Reale, die Tatsachen, die uns in der Welt, objektiv (als Objekt) gegenüberstehen. Das können physische, seelische oder durchaus auch geistige „Objekte“ sein: Erlebnisse, Eindrücke, Situationen, denen wir begegnen und die wir durch unsere Sinne erfahren. Wir erfassen und erleben sie (bewusst oder weniger bewusst), aber erst in unserem Inneren! Erst wenn die „Gegenstände“ der Wahrnehmung visuell, durch die Augen, akustisch, durch die Ohren, haptisch, durch die Hände, die Füsse und so weiter, unseren Körper, das Sinnessystem, das Nervensystem und die Verarbeitung im Gehirn, erreicht haben; erst dann verwandeln sich die äusseren Objekte zu inneren (subjektiv wahrgenommenen) Vorstellungsbildern.

Daraus resultieren unsere Urteile, Werte und Sympathien, wie auch alle Antipathien den Dingen der äusseren Welt gegenüber. Dabei ist es nicht notwendig, dass diese äussere Welt nur physisch sei. Es können auch Träume in dieser Weise wahrgenommen werden und natürlich auch Gedanken, alles Gesagte, Mitgeteilte von anderen Menschen, welche wir denkend oder emotional nachverarbeiten. Mit dieser sogenannten „realen Welt“ – im Zentrum der unten stehenden Skizze – kann aber auch das All-Eine, das Wirkliche und das Wahre bezeichnet werden. In gewissem Sinne könnten wir sie gleichfalls „Gott“ nennen, je nach dem, was wir für Vorstellungen und Begriffe damit verbinden sind sie Natur und Geist gleichermassen.

Um dieses Zentrum herum ensteht eine Art „Wirklichkeitsfeld“, etwas, was uns sozusagen insgesamt „objektiv“ gegenübersteht, etwas, was ohne unser Zutun existiert und nicht durch den Filter unserer Wahrnehmungen getrübt ist. Alles, was durch diesen Filter hindurchgeht, quasi verarbeitet worden ist von unserer Persönlichkeit, von dem, was wir gemeinhin das „Ego“ nennen (wenn wir es reflektieren können!), verwandelt sich in der Weise dieses Filters und wird subjektiv. Es wird individualisiert von einem mit ganz bestimmten Erlebnissen und Umständen durchsetzten „Ich“.

Unser Denken steht an der Peripherie der objektiven All-Einen Wirklichkeit und kann sich nach zwei Richtungen hin öffnen (violette Punkte). Die meiste Zeit bleibt es jedoch durchsetzt vom individualisierten Filter der eigenen Persönlichkeit und vermag das Objektive nicht in Reinform zu schauen. Könnten wir mit diesem Denken in das Zentrum jener Wirklichkeit, mit der wir verbunden sind, eintauchen, würden wir ein gewaltiges geistiges Panorama vor uns haben! Wir würden jede Art von Färbung in der Wahrnehmung verlieren. Dieser Zustand wurde von verschiedenen geistigen Lehrern erreicht und unterschiedlich bezeichnet. Sei es die „clair voyance“, die „Erleuchtung“, „Einweihung“, „Intuition“ im höheren Sinne, oder andere Begriffe. Im Grunde geht es immer nur um dieses eine: Um die reine und ungefilterte Wahrnehmung. Leider entsteht durch die Interaktion mit dem Realen, Wirklichen, kaum, selten oder gar nie, ein reines Abbild dieser Wirklichkeit. Was in unser Inneres fließt und vom Verstand, vom Intellekt (gedanklich „einseitig“) – verarbeitet wird, sind deshalb meistens gefärbte, veränderte Vorstellungen dieser Wirklichkeit. Das ist der Grund, weshalb die Kommunikation erschwert wird. Weshalb wir uns vom Anderen und von Anderem getrennt fühlen!

Welt Vorstellung
Die verschiedenen Charaktere, die wir auch in den oben beschriebenen engsten Kreisen wiederfinden, sind natürlich unendlich breit gefächert. Und dennoch gibt es Gemeinsamkeiten, Charakterzüge, die sich gleichen, eine Art Archetypus nach C.G. Jungs Definition. Sie bilden Hauptgruppierungen, die wir durch bestimmte Grundveranlagungen in jedem von uns wiederfinden können. In früheren Zeiten wurden sie in den Temperamenten des Cholerikers, Melancholikers, Sanguinikers und Phlegmatikers zusammengefasst umschrieben.

Der Sinn des Lebens

Ungeachtet dieser Temperamente muss jedoch die Tatsache dieser zwei verschiedenen Wahrnehmungsebenen unterschieden werden. Die grosse Frage bleibt bestehen: Wie kommt man darüber hinaus, wie schafft man es, sich die Wahrnemungen rein und ungefiltert einzuverleiben? Und damit verbunden die andere Frage, die sich immer wieder um den Sinn unseres Lebens und um unsere Bestimmung in der eigenen Biografie dreht: Wo kommen wir her, wo gehen wir hin und was ist die wahre Bestimmung unseres Lebens?

Viele Menschen hocken auf ihren Standpunkten fest. Sie erkennen natürlich den Umstand dieser Trennung nicht und binden sich existentiell an ihre eigene Erfahrungswelt. Dadurch aber verketten sie Leib, Seele und Geist in einer „unheiligen Allianz“. Der Verlust gewisser alter und verkrusteter Meinungen und Gedanken, bedeutet für sie soviel wie der Tod. Das ist auch der Grund, weshalb sie sich so fest an ihren Grundsätzen klammern. Die Idee: Es könnte doch auch einmal anders gedacht, aus einem anderen Gesichtswinkel beobachtet werden, kommt ihnen nicht nur nicht in den Sinn, sondern sie wird, wenn sie von aussen herantritt zu einer grossen Gefahr! Sie bedeuten den Verlust ihrer eigenen Identität! Das Betrachten ihrer selbst wird zu einem Schritt in den Abgrund, zu einer existentiellen Gefährdung ihrer Persönlichkeit. Deshalb wird es vorgezogen, solche Fragen zu verdrängen, sie von sich zu weisen oder zu ignorieren.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… und jetzt neu auch eines über Anthroposophie… Glaube oder Wissenschaft? und über Kunst – ein kreatives Thema… und noch ein Kunstbuch mit dem Titel: Form-Lust

*Die oben angeführten Formen müssen selbstverständlich nur als Synonyme oder Platzhalter für sämtliche Wahrnehmungsinhalte verstanden werden…

Fussball-Fieber

FussballSommer, Hitze. Fussball. Herz, was willst du mehr! Alles sitzt, steht, (liegt?, oder steht Kopf…) vor den Fernsehern und Leinwänden der vielen Public Viewing Events, die in allen Ländern der Welt zur größten Show der geliebten Fußballstars einladen.

Wohl kaum einer interessiert sich da für philosophische Themen. Die können im Winter mal ganz interessant sein, wenn die Kugel in den Katakomben der Stadien ruht. Dann, wenn die Langeweile einen überkommt und Schnee und Kälte uns vor größerer Aktivität zurückhalten, dann, ja dann schlägt man vielleicht einmal ein Buch auf, welches man seit Jahren vergessen hatte, Hegel, Fichte, Goethe und wie sie alle heissen…

Gedanken über die Welt, über Leben oder Sinn (und Unsinn) unseres Daseins sind oft unangenehm. Sie kühlen unsere automatisierten Handlungen und Abläufe auf fatale Art und Weise auf den Gefrierpunkt ab. Sie fordern uns vielleicht dazu auf, diese ewigen Fragen des Daseins zu beachten, einmal inne zu halten, zu schweigen, Dinge anzuschauen die wir sonst kaum beachten im Trubel der vielen Aktivitäten einer überbeschleunigten Zeit.

Ich schreibe das nicht etwa ironisch, quasi aus der Position eines Fussballmuffels heraus, sondern – im Gegenteil – als bekennender Fan! Als ehemaliger Junior und Spieler eines mittelmäßigen Thurgauer Fußballvereins, weiß ich um die Faszination dieses wunderbaren Spiels, und um die Anziehungskraft des runden Leders (welches damals in den 70ern noch ziemlich unangenehm ledrig war). Man muss sich ja nicht grundsätzlich ins Abseits stellen um die Welt philosophisch zu betrachten. Gerade das „in den Dingen sein“ (genannt inter-esse), macht das Leben doch so spannend. Egal, was wir tun, das Anteil-nehmen macht die Würze aus!

Philosophie muss nicht belehrend sein, sondern beschreibend.
Sie muss nicht urteilen, sondern erkennen.
Sie soll nicht lähmend sein, sondern begeisternd.

In diesem Sinne lade ich immer wieder zur „philosophischen Unterhaltung“ und zum Mitdenken auf meinem Blog ein. Ähnlich wie im Spiel mit dem Ball, verhält sich doch das ganze Leben. Alle Themen spiegeln sich darin. Von totaler Selbstüberschätzung bis hin zur nüchternen Ungewissheit, von anerkennendem Lob bis zu verachtendem Tadel: Immer wieder wechseln Emotionen, Aggressionen und überschäumende Freude sich ab im Tanze des Ballzaubers. Nichts ist im Grunde berechenbar, nur tendenziell einschätzbar. Die Pässe, Blockaden und Mauern (Hindernisse), die (Frei-) Räume und Attacken, alles entsteht in jedem Moment immer wieder neu und unvergleichlich. Kein Spiel hat denselben Verlauf. Und doch sind die Spielregeln, die Verhältnisse exakt vorgegeben, das Spielfeld um die 100 Meter lang und 65 Meter breit, zweimal 11 spielende Akteure usw. Was innerhalb dieser Einschränkungen passiert ist ungewiss und überraschend wie das Leben selbst, welches ebenfalls gewisse klar gesetzte Rahmen hat.

Hier liegt wohl die grösste Faszination: In dieser relativen und doch planbaren Unsicherheit im Spielverlauf. Auch hier gibt es Stars, Gewinner und Verlierer, wie im Leben auch.

In diesem Sinne: Hopp Schwiiiiiiz!

Schweiz-Flagge

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

Fremdbilder sind nie objektiv

fenster„Ein objektives Bild des anderen Menschen gibt es nie.
Jedes Bild, jedes Urteil ist gezwungenermaßen falsch. Nur mit einer einzigen Ausnahme:
In der Liebe erkennen wir die Einheit im Anderen, das Verbindende.“ uw

Haben wir die Liebe nicht, so verzerrt sich dieses Bild und wird abgewandelt nach den Mustern meiner eigenen Vorstellungen und Bilder, die ich in meinem bisherigen Leben aufgebaut und verinnerlicht habe. Verinnerlicht heißt in diesem Falle auch abgetrennt, abgegliedert vom Wesentlichen und Ganzen, ohne den großen Zusammenhang zu behalten. Das Lebendige wurde entfernt, die Kraft des alles durchziehenden Geistes dem goldenen Kalb geopfert.

Das abgetrennte „Ich“, wir nennen es Ego, kann nur sich selbst betrachten und erkennen (in der Selbst-Reflexion). Im Erkenntnisakt selber wächst es aber über sich hinaus und erlebt sich als Einheit, in der Wirklichkeit der Einheit, im Verbindenden, in dem, was oft „Gott“ genannt wird. Schon deshalb kann Gott nichts von mir Abgetrenntes sein. Jede Abtrennung widerspricht sich selbst, weil sie nicht alles mitumfassen kann. Und dieses All-Umfassen ist das einzige Kriterium für den Gottesbegriff. So umfasst es auch mich, aber nicht im gleichen Sinne, wie die Welt der Dinge mich einbettet und umfasst. Vielmehr durchdringt es mich, ähnlich wie die Luft, das Wasser, der Atem mit durchdringt. Tut er es nicht mehr, so stirbt mein Körper. Die Luft, der Atem aber, lebt weiter, er verliert nur einen seiner physischen Träger.

So muss jedes individualisierte Gottesbild, auch wenn es in Kirchen und Religionen institutionalisiert wird, am Ziel wahrer Liebe vorbei schießen. Solche „Götter“ dienen nur den Vorstellungen ihrer Träger. Sie schaffen ein Gefäß von Glaubenslehren und Dogmen, die sich nie durch wirkliche Einsicht, sondern durch Konditionierung und Tradition fortpflanzen.

Das Erkennen des anderen Menschen wird also ohne die Liebe verunmöglicht. Was wir sehen und wahrnehmen, entspricht nie dem wirklichen Kern des Anderen, sondern vielmehr dem persönlichen Konglomerat von selbst geschaffenen Einsichten, die mich in meiner eigenen Entwicklung betreffen.

Es wird eine der größten Aufgaben der Menschheit der nächsten zwei, drei Generationen sein, dies mit letzter Konsequenz zu durchschauen. Das größte Gut menschlichen Daseins, die Liebe, muss vom bloßen Wort zur Tat-Sache werden. Dabei muss sie vom Schlamm festgefahrener Vorstellungen befreit werden. Denn auch sie ist letztlich nur ein Begriff, der gefüllt ist mit den persönlichen Ideen seines Trägers.

Für den Einen ist Liebe schlicht Sex, für den anderen ein Empfinden rein platonischer Art. Wieder für andere ist es eine spezielle Form von Sympathie, ohne genauere Vorstellungen zu haben, wie sie von anderen ähnlichen Gefühlen zu unterscheiden sei. Manche wollen sie gar nicht definiert haben. Und in der Tat ist das Herunterbrechen auf solche Attribute niemals befriedigend. Im oben genannten Sinn verstanden, hat sie immer diesen Aspekt des Umfassenden, einer tieferen Erkenntnis vom göttlichen Kern jedes Menschen.

Erst die Erkenntnis von sich selbst bringt jenes Organ zum Leuchten, welches auch nach außen die reine Wahrnehmung, und somit die Liebe, ermöglicht. Sie ist befreit vom Schlamm der persönlichen vorgeprägten Muster und Strukturen des physischen Gehirns, welches sich nur allzu gern auf die Bequemlichkeit fertiger Ur-Teile stützt – statt Neues zu erkunden. Die befestigten Bahnen dieses äußeren Organs geben uns zugegebenermaßen Halt und Sicherheit im Denken. Sie möchten sich auch gern immer wieder bestätigt wissen und suchen ihre Inhalte immer nur dort, wo sie diese bekommen. Mit entsprechenden Konsequenzen…

Das Opfer jeder ernst gemeinten Selbsterkenntnis besteht also zunächst darin, diesen Halt aufzugeben, die Blasen einer inneren persönlichen Sicherheit platzen zu lassen, um danach das größte aller Geschenke zu erhalten, was es gibt: innere Ruhe und Frieden mit sich selbst. Dieser Weg ist schmerzvoll und hart, denn alles, was wir so sicher glaubten, was so gewiss war und was uns in unserem bisherigen Leben getragen, aber auch verletzt hat, stirbt mit diesem Akt wirklicher Selbstbeobachtung. Zugleich erwacht das neue Gefühl einer nie gekannten Freiheit in uns.

Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie…

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