Innenschau oder Verbitterung

daemonenaustreibungEs gibt Themen, die uns ein Leben lang beschäftigen und plagen. Dennoch werden wir deren Lösung nie Gewahr, so sehr wir uns bemühen. Mit zunehmendem Alter fühlen wir Verbitterung und verbeissen uns in unsere privaten, persönlichen Konstrukte von Meinungen und Vorurteilen. Wir zementieren sie und werden immer enger in unserem Ansinnen. Ein solches ewiges Thema ist die Genderfrage. Sie ist auf intellektueller Ebene ebenso wenig zu lösen, wie andere ähnliche Fragen.

Männer können Frauen niemals verstehen

…und Frauen können Männer niemals verstehen!
Eine Erkenntnis, die für viele schwer fallen mag. Neigt man doch oft zu maßloser Übertreibung, was den Partner anbelangt. Anfangs überschätzt man vieles, was man später zu unterschätzen geneigt ist. Ist es das Ergebnis von Verbitterung, das zu solchem Urteil führt? Oder von Enttäuschung? Letzteres sicher in dem Sinne, dass die Täuschung nach und nach weg fällt, wenn man sich auf den Weg der Selbsterkenntnis begibt. Auf der Ebene des Geschlechts bleibt der einzige Verständigungsinhalt die Sexualität und/oder damit zusammenhängende psychische Elemente, die sich mit entsprechender Wirkung auf viele Bereiche des Alltags fortpflanzen. Man kann natürlich immer eine intellektuelle Ebene des gegenseitigen Verständnisses finden aufgrund ähnlicher Erlebnisse oder Erfahrungen, und sich darüber austauschen. Es ist eine Art Nachvollziehen können dessen, was der andere fühlt, denkt und wie er handelt. Das ist die psychiatrisch/psychologische Ebene. Ein tiefes Verständnis beruht jedoch auf Verschmelzung, auf das vollkommene Hineinfühlen in den Anderen, auf Synthese, nicht Analyse! Das ist die geistige Ebene…

Wenn Verstehen wesentlich wird

Verständnis auf dieser höheren Ebene ist immer nur von Mensch zu Mensch möglich, von Wesen zu Wesen. Nur so wird das Verstehen wesentlich…
Menschen können sich nie wirklich und wahr begegnen, insofern sie in einer Identifikation leben. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, welcher Art diese Verhaftung in einer Identifikation ist. Auch das Geschlecht ist eine Verhaftung, etwas, mit dem mann/frau sich ein Leben lang identifiziert! Wie viel Einfluss diese Identifikation auf unseren Alltag nimmt, vermögen wir kaum wirklich und umfassend zu durchschauen. Jede Parteilichkeit, jegliche Zuordnung zu irgend etwas, ist eine Identifikation; das Volk, die Familie, die Partei: Sie alle prägen einen anderen Menschen in uns aus, charakterisieren uns, formen uns. Im Kleinen sind es die Gedanken, Vorstellungen, Meinungen, Urteile – das Motorrad, Auto, Haus, Geld usw., die uns vom Wesentlichen abziehen und in die Identifikation treiben. Was wir nicht Selbst tun, ist Trieb, getrieben sein.

Wir führen uns selber an der Nase herum

Eine Identifikation ist wie eine Hülle, ein Panzer, eine Fassade, eine Maske, die um unseren geistigen Wesenskern herum gelegt ist. Oder besser: es sind viele Hüllen, die uns so umgeben. Vielleicht geben sie uns warm in dem Sinn, dass Sie uns bequem machen, uns Lust und „Fun“ bereiten. Wir leben (normalerweise) in einem „Hüllenwesen“, einem Phantom oder einer Art „Doppelgänger“ gleich, statt aus dem geistigen Kern heraus zu wirken; und wir handeln, denken und fühlen – Selbstvergessen – dementsprechend. Der Körper (und damit ist das Geschlecht selbstverständlich miteinbezogen!), ist ebenso eine Hülle, wie der Charakter, die Verhaltensweisen, Regeln, Gesetze, Muster, Prägungen usw. Sie alle führen uns an der Nase herum. Mit ihnen gehen wir spazieren, verteidigen uns, fordern Rechte ein, urteilen und verurteilen alles, was uns an Meinungen lieb geworden ist..

Sie wissen es vielleicht – aber handeln Sie danach?

Natürlich wissen das heutzutage viele Menschen, die etwas mit Esoterik am Hut haben wollen. Aber sie verhalten sich nicht entsprechend! Weil sie es nur mit dem Kopf verstehen, und als blosses Wissen herumtragen und in dieser Weise gerne weiter verbreiten. Sie nennen sich “spirituell“ und fühlen sich gut dabei, weil Ihnen dieses Wissen Macht verleiht. Aber sie handeln nicht danach! Sie handeln nicht danach! Sie begeben sich in fatale Widersprüche in ihrem alltäglichen Leben, weil sie sich selbst nicht erkennen können oder erkennen wollen! Daraus entstehen die kuriosesten Weltbilder. Sie verteidigen ihre Weiblichkeit oder ihre Männlichkeit, werden zu Frauenverstehern oder zu Männerhassern und so fort. Ebenso sehr verteidigen sie auch ihre Partei oder ihre Religion oder ihren physischen Besitz. Sie schöpfen aus einem persönlich geschaffenen Dogma heraus, das sie im Aussen verurteilen, aber in sich selber nicht erkennen. Sie wollen es nicht erkennen, weil es schmerzt. Weil es Ängste schürt. Weil es Verdecktes aufdeckt. Weil es den Schatten berührt, der ihre innere Sonne vernebelt und verkrustet und der ihnen eine vorgetäuschte Sicherheit und vermeintliche Geborgenheit verspricht.

Der Retter in der Not

Die meisten Menschen hassen es, nach innen zu schauen. Jeder Wink von aussen, dies doch zu tun, wird abgelehnt oder sogar vehement bekämpft. Man hat oft Angst vor dieser Innenschau, Angst vor der Umklammerung des Schattens. Man hat unbewusst Angst, ihm nicht standhalten zu können, der Verhaftung total zu verfallen und sich nicht mehr aus ihr lösen zu können.
Das ist die Dramatik des Lebens. Dabei ist allein diese Innenschau der Retter in der Not!
Die Schmerzgrenze muss hoch, sehr hoch liegen, um aus dem Nebel aufsteigen zu wollen und sich auf den inneren Weg zu begeben.

Der Anfang jeder Erkenntnis ist die Selbstbeobachtung.

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Urs Weth, „Selbst-Reflexion als soziale Kernkompetenz“ – „Ursli und der Traum vom Schiff“, Kinderbuch… – „Lebendige Prozesse“, Fachbuch über Kunsttherapie… – Einblicke in die Kunsttherapie… ein Resume nach 25 Jahren…

Veröffentlicht von

weth

1956 in der Schweiz geboren; Autor, Bildhauer, Werklehrer, Architekt und früher einmal Hochbauzeichner und Maurer...

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